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Brief (Transkript)

Gerhard Kunde an seine Mutter am 21.04.1943 (3.2002.0864)

 

33600

O.U., den 21.4.43



Liebe Mutter!

Da morgen ein Urlauber fährt, will ich schon heute meinen weiteren Bericht geben, soweit ich dazu in der Lage bin. Daß ich so ausgesprochen ins Fettnäpfchen gegriffen hätte mit diesen Diatru. [?] kann ich wohl nicht gut behaupten. Das ganze Offz.- u- Beamtenkorps ist mir fast durchweg unsympathisch, entweder schon rein äußerlich oder die von den einzelnen gezeigten Eigenschaften. Der Stabszahlmeister ist alter 12-Ender – d.h. 32 Jahre alt – und mit allen Vorzügen dieser Klasse von Menschen begabt, d.h. vor allem er säuft wie ein Loch. Im Suff kriegt er sich dann offenbar mit allen Leuten in die Haare mit dem Erfolg, daß er dienstlich ein wenig schikaniert wird. Er beklagt sich natürlich bitter darüber u. fühlt sich wohl gar als Märtyrer, aber ich muß sagen nachdem ich ihn gestern besoffen, anders kann man den Zustand nicht bezeichnen erlebt habe, kann ich verstehen, daß er im Stabe nicht die geringste Achtung genießt. Hoffentlich ist er bald weg. Ich denke zu dem Kommandeur in ein erträgliches Verhältnis zu kommen. Mit dem Adjutanten werde ich allerdings in kein besonderes geraten können, der Kerl hat schon ein Gesicht wie ein Bulle u. säuft auch. Sein Versuch gestern abend, mich unter den Tisch zu trinken, ist ihm allerdings glänzend missglückt. Ein wenig musste ich natürlich mitmachen, dann verstand ich das Mistzeug geschickt wegzukippen. Fühle mich heute sauwohl, was der Stabszahlmeister u. der Adj. nicht von sich behaupten können. Beide haben offenbar so etwas wie den Russlandkoller, denn sie haben sich in einer tollen Weise angepöbelt. So etwas habe ich unter Offz. doch noch nicht erlebt. Man lernt eben nicht aus.
Heute das erste Essen im Kasino war ganz manierlich. Als frisch aus der Heimat importiert musste ich natürlich über die Zustände zu hause berichten. Der Kommandeur macht so ein wenig in Pascha. Militärisches Urteil: harmloser Idiot, aber will nicht viel mehr. Der einzige vernünftige Mensch scheint ein Oblt. zu sein, der angeblich Landgerichtsrat im Zivilberuf ist. Obwohl ich eine Abneigung gegen diese Rasse [?] habe, werde ich versuchen, mit ihm ein wenig warm zu werden.
In der Zahlmeisterei sind als Hilfskräfte 1 Uffz. von 25 Jahren, angeblich Student und ein Obgefr., Kreisinspektor in Zivil. Scheinen beide ihre Arbeit zu machen. Burschendienste leisten Russen, d.h. ein sog. Hilfswilliger – ehem. Kriegsgefangener, schon z.T. feldgrau eingekleidet u. eine Frau, von denen etwa ½ Dutzend als Küchenhilfe usw. beschäftigt werden. Also insofern ist es erheblich günstiger als beim Inf.Batl.
So nach u. nach werde ich Dir noch mehr Einzelheiten erzählen können. Du brauchst Dich nicht zu sorgen, daß ich nun irgendwie unglücklich bin, weil der Laden nicht wie gemalt ist. So etwas gibt es ja nicht.
Alles Gute u. recht herzliche Grüße
Dein Gerhard.


 

 



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