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Brief (Transkript)

Ernst Emmerich an seine Eltern am 22.12.1914 (3.2011.3530)

 

22.12.


[…] Heute fuhr auch „Schwere“ (21ctm) durch gen Warschau. - Wir selbst wissen augenblicklich nicht, wohin des mit uns geht; vielleicht nach Ivangorod, vielleicht auch nicht. Jedenfalls empfangen wir heute noch außer unbändig viel Liebesgaben auch noch Post, wobei ich Nachricht von Euch erwarte. - Verwundet bin ich übrigens nicht … Heyen erzählte mir, daß Mutter bei seiner Frau gewesen wäre, um sich zu erkundigen. - So etwas hat gar keinen Zweck. Sollte etwas vorkommen, so garantiere ich, daß Ihr von der Kompanie schnellstens Nachricht erhaltet; auf anderes ist durchaus nichts zu geben. - Ich selbst würde mich doch auch beeilen Euch Nachricht zu geben, die ja dann von hinter der Front schneller anlangen würde. - Nun will ich auf die neue Post warten.
22.12. Nun, die war ja reichlich! Zeitungen in Hülle u. Fülle, Briefe von Euch, Rudi, Papmeyr, der mir von Amrum aus seine Schokolade schicken will, weil er sie für Luxus hält. - Heute haben wir (8 Mann) zufällig einmal „Druck“ (einen angenehmen Posten) da das Bataillon vorne in den Schützengraben liegt, während wir hier in Tomaszow die „Gefechtsbagage“ (Feldküche, Patronenwagen u.s.w.) bewohnen. Eine vor uns liegende österreichische Kavall. Division ist zurückgedrängt von großer Übermacht, u. unsere Division muß die Geschichte nun halten, bis ein Korps ankommt, was allerdings schon für heute in Aussicht stehen soll. - Dann wirds wohl wieder wo anders hingehen. - Tomaszow, zufällig unzerstört ist eine der schönern Städte, die wir getroffen haben; ich glaube, man kann sagen, weil so viele Deutsche hier sind. Gar mancher dabei, der sehnsüchtig auf uns gewartet hat. Einen schönen Abend haben wir bei den Leuten im Quartier gesessen - „gemütlich“ im besten Sinne des Wortes. Russische treue Untertanen sind die Leute doch, wenn sie auch am deutschen Wesen doch so zähe haften trotz aller Verfolgung.
„Der Krieg ist ein Schandfleck für unser Vaterland“ sagte der alte Mann – ein leises Zittern des Wehs in der Stimme ob dieses inneren Zwiespalts, ein Deutsch-Russe! zu sein. Ein Deutscher ist eben treu, an welchem Platze er auch stehen mag, und wenns ihm das Herz zerreißt. - Die Juden hier haben den Russen beim Einrücken Blumen auf den Weh gestreut, und nun tun sie, als wären sie treu deutsch gesinnt. Niemals ist Verlaß auf Juden! -
Große Weihnachtspackete sind noch nicht da – Gott sei Dank! wir müssen den Affen erst wieder leer essen. - Hoffentlich kommen keine zu großen Märsche dazwischen; allmählich muß doch die Unmenge Russen ein Ende nehmen; sie kommen ja schon gelaufen, um sich mal satt zu essen. Erwischen uns natürlich immer gerade dann, wenn wir mal selber nichts haben. Von der Feldküche allerdings sind sie immer von neuem entzückt; das Essen aus den russischen soll ungenießbar sein, während unsers wie gesagt ausgezeichnet ist. - Gestern haben wir alle möglichen Fahrzeuge über die Pilica auf einer Pontonfähre hin u. wieder gefahren, was abwechslungshalber – mal ganz interessant war.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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