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Brief (Transkript)

Ernst Emmerich an seine Eltern am 25.04.1915 (3.2011.3530)

 

Horodenka 25. IV.15.


Gestern kam Vaters hoffnungsfreudiger Brief zusammen mit der Nachricht von der endlichen Überschreitung des Yserkanals und der unwahrscheinlich hohen Zahl erbeuteter Geschütze, leider aber auch gleichzeitig mit einem Gerücht, das Italien an die Seite unsrer Gegner stellt. Noch will es hier niemand recht glauben, daß gerade jetzt, wo so deutlich der Anfang des Sieges gemacht ist, noch ein Staat die Ungeheuerlichkeiten eines modernen Krieges auf sich nehmen will, und unser aller Hoffnung ist, daß dies Gerücht wie schon so oft, falsch sein möchte. Es wäre aber auch eine teuflische Gemeinheit uns jetzt in den Rücken zu fallen, eine Gemeinheit wie ich sie den Italienern gar nicht zutraue. Wollen denn diese Völker ein ewiges Blutvergießen heraufbeschwören oder glauben Sie etwa, Deutschland würde sich einschüchtern lassen? „Das giebt einen Kampf bis auf den letzten Blutstropfen,“ sagte mir ein alter Landwehrmann, als wir uns darüber unterhielten. Daß es vielleicht für uns zu viel werden könnte, glauben die Meisten, aber nachgeben? - Nein! Trotz! - Sie sollen nur Deutschland nicht zum äußersten reizen, das könnte ein wildes Morden werden. Hoffen wir, daß es nicht so weit kommt. -
Eben stürmt Unteroffizier Landgraf in die Stube mit der Nachricht, es seien 17 000 Russen von den Rumänen entwaffnet – ferner mit einem Packet von Tante Liese u. einem Brief von Rudel Lindemann vom 16. IV aus Crony, wo er sich anscheinend ganz wohl befindet. - Von Lottchen kam aus Lohm gestern ein Packetchen mit Gebäck. Es ist ja sehr hübsch aber Mehlverschwendung. -
So lange wir hier in Galizien bleiben oder gar vorgehen, wirds uns an Mehl nicht fehlen. Wir essen jeden Morgen unsre frischen Semmeln. - Soeben kommt wieder ein Unteroffizier u. bringt wieder ein bissel Post, die er aus dem Sack gewühlt hat, darunter Mutters Brief vom 19.IV. mit Rudis Bericht. - Ja liebe Mutter, wenn ich erst jetzt aus dem Ersatz „etwas für mich“ raussuchen sollte, wärs doch ein bissel spät; wenn Männer durch Not u. Tod zusammen gehen, da fragt man nicht, ob das „etwas für einen“ ist; es sind „Deutsche“ genug dabei – mehr brauche ich nicht. Nach Stand u. Namen hab ich nie gefragt u. werde nie fragen. - Wenn Ihr aber etwa glaubt, man müsse einen „Gebildeten“ haben, so irrt Ihr; jeder Maurer versteht alles, worüber ich mich mit ihm unterhalte, und ich bin oft genug überrascht über die leichte Auffassungsgabe und das tiefe Verständnis der Leute. - Wenn sie in ihrer Fröhlichkeit anders sind als ich – nun gut – sie achten mein Wesen aber mehr, als meine „gebildeten Standesgenossen“ es achteten; ich habe noch keinen Spott gehört, wie es mir unter meinen Standesgenossen ach [?]! nur zu oft geschehen ist. Ich habe mir ihre Achtung verdient wie sie die meine; woran sollte es fehlen?
Tagesbericht:
Dienst frei
Ernährung I a
Befinden I a
Wetter I a
Herzlichen Gruß. Ernst.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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