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Brief (Transkript)

Karl Linder an seine Eltern und Schwester am 28.08.1915 (3.2009.0497)

 

28. August 1915.



Liebste Eltern
u.
Margarethakatharina!

Habe gerade Zeit aber wenig Stoff zum Briefschreiben, doch mit Gott für König u. Vaterland wage ich mich an diese Arbeit u. nehme alle Kraft zusammen, die Lust u. auch den Schmerz. Verzeiht mir aber, wenn es lauter Blödsinn wird; denn mein Hirn ist schon ziemlich eingetrocknet u. wird noch immer kleiner, sodaß ich in der kommenden Friedenszeit die größte Arbeit haben werde, meinen armen Schädel mit neuem Kram auszufüllen. Hoffentlich kann ich bald damit beginnen. Immer wieder geht ein Monat vorüber ohne das Ersehnte zu bringen, aber wir hoffen geduldig weiter auf die nächsten Monate.
Nun bin ich ¾ Jahr Soldat, aber was für einer. Was bin ich?
Rekrut in allen Dimensionen, Erdarbeiter jeglicher Art, eine billige Kraft, begnügsam in Kost und Wohnung, willig an jedem Platz.
Was kann ich noch werden? Sehr viel; denn ich habe noch alle Rangstufen vor mir u. darum die beste Aussicht, doch bleib ich vorerst, was ich bin, stehe nachts alle 2 Std. Posten und 2 od. 3 Std. am Tag, schanze täglich, hole in je 4 Tg. 2 mal das Essen, kehre den Laufgraben, esse, was es gibt, schlafe im dumpfen stinkigen Unterstand auf altem Stroh oder auch auf neuem, laß die Läuse sich an mir gütlich tun und die Ratten u. Mäuse das Brot anfressen und um und über mir wettlaufen, höre resigniert ihr immerwährendes Nagen u. Scharren und lasse den Dreck und Schweiß an meinem Körper wachsen bis wir wieder aus dem Schützengraben kommen und ich mich dann waschen kann.
So könnte ich weiter erzählen noch lange – vom Leben in Stellung bei Sonnenschein und bei Regen, bei hellem Tag u. bei stockdunkler Nacht, vom Leben in der sog. Ruhe, die gewöhnlich keine ist und vom Leben hinter der Front in Peronne u. Umgebung u.s.w. u.s.f.
Aber dennoch bin ich zufrieden und werde mich hüten zu klagen, es ist ja Krieg und wir haben ja beinahe Frieden im Krieg. Wie lange noch wird es so bleiben? Es steht uns immer bevor, daß wir noch unsere Gräben verlassen müssen, dann aber nicht zurück sondern weiter nach Frankreich hinein! Mit Freuden höre ich von den Erfolgen im Osten, vom Falle Brest u. Ossowicz, der Sieg muß kommen und der Friede, hoffentlich noch vor 1916, dann auf
glückliches Wiedersehen
Euer
Karl.

 

 



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