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Brief (Transkript)

Otto Madl an seine Familie am 03.09.1943 (3.2002.7163)

 

Rußland, 3.9.1943



Meine Liebsten!

Übersende Euch diesen Brief durch einen Kameraden, zugleich auch ein Päckchen, es liegt die Uhr drinnen und Zahnpasta. Ich nahm ihm ja auch ein Päckchen mit. Mit der Uhr hatte ich wenig Glück, schon während der Fahrt blieb sie immer stehen, habe die Uhr zu einen russischen Uhrmacher, der konnte sie nicht richten. Der wird ihr halt den Garaus gemacht haben. Vielleicht könnt Ihr die Uhr bei einem Uhrmacher reparieren lassen, wenn es nicht mehr geht, nun dann brauch ich eben keine mehr, denn für Vater seine ist zu schade. Wenn die Uhr zu reparieren ist, dann könnt Ihr diese in einen Päckchen an meinen Kameraden Pfeffer Anton Gotteszell b. Viechtach senden, denn der nimmt mir ein Päckchen mit. War halt eine billige 4 Mark Uhr. Nun, lb. Cilly, hast Du nicht Deine Firmungsuhr, geht die oder ist sie auch kaputt, wenn sie nur al Armbanduhr zu tragen ist, muß ich sie halt in die Tasche stecken, Du weißt, Cilly, verlieren tu ich sie ja nicht. Kein großes Paket gibst dem Kameraden nicht mit, auch einen Brief, da kannst hineinschreiben, was Du willst. Nun schreibe ich es Euch haargenau, wo ich bin, an der Bahnlinie zwischen Orscha- Kritschew-Roßlawl 30 km südwestlich von Mistislawl zwischen den beiden Dörfern Schirki u. Kosch. Von der Front sind wir ja noch bereits 100 km weg. Gar so gefährdet bin ich nicht, wir müssen die Bahn bewachen, allen noch verfügbaren Truppen wurden zum Schutze eingesetzt, weil kein Zug mehr nach vorne kam. Die Partisanen sprengten immer gleich bis zu 500 m Gleis auf einer Bahnlinie tragen sie in einer Nacht gleich 20 km Gleis weg. Nun können sie an unserer Strecke mehr wenig machen, weil auf jeden km 10 Mann zu Bewachung und noch 10 russische Zivilisten. Jede Nacht müssen wir draußen sein, bei dem geringsten Verdacht, es könnte sich nachts jemand den Bahndamm nähern, wird gleich ein wahnsinniges M-G.-Feuer von uns eröffnet, somit kann die Front noch versorgt werden. So, nun wißt Ihr wenigstens, was ich machen muß. Auch noch einiges wegen den Gesuch, ich denke ich werde bei dem Haufen bleiben, wo ich immer war, immerhin bin ich viel besser dran als wenn ich an der Front wäre, die Kugeln pfeifen doch nicht umher, auch was die Hauptsache ist, kommen keine Flieger her, die greifen auch nur die Bahnlinie an und neben keinen solchen sind wir nicht. Wie lange wird wohl der Krieg oder besser gesagt der Schwindel dauern, bis halt die Städte alle vernichtet sind, denn unsere verfluchten Dickköpfe, die geben nicht nach, bis sie der Teufel einmal holt, die Lumpen. Heuer wird meiner Ansicht nach der Krieg noch nicht aus. Jetzt heißt es, müssen erst Flugzeuge gebaut werden, die die amerikanischen Bomber bekämpfen können, ein guter Trost, hoffentlich läßt man ihnen nicht mehr so viel Zeit. Auch in Rußland wird es wieder weiter zurückgehen, denn es werden weitere Gebiete geräumt, die Aussichten sind nicht günstig. Welche hoffen immer noch auf eine baldige Vernichtung Englands, ist eben lauter Schwindel und Betrug.
Wenn nur nicht zu Euch auch noch die Flieger kommen, wenn es der Fall ist, keinen Keller haben wir nicht, nehmt eine Deck und geht ins Freie und legt Euch auf den Boden hin, gegen Phosphor die Decke naß machen und gut anziehen, daß Euch nicht friert, so machen es wir auch, wenn es der Fall ist. So könnt Ihr Euch am besten schützen.
In diesen Brief kann ich ja schreiben, was ich will, weil er ja nicht durch die Zensur geht. Wie geht es Euch immer? Bekommt Ihr was, nun werden ja die Lebensmittel mit den Bombengeschädigten auch immer weniger. habt Ihr um die 3 m Ablaufrohre nach München geschrieben, sonst könnt Ihr ja nichts mehr kaufen, denn um Papier gibt ja niemand was her. Ist die Stube schon gestrichen, nun würdest halt noch eine Küche brauchen, vielleicht hast noch Glück mit den Rittsteiger. Ab und zu werdet Ihr schon eine Gelegenheit finden, um etwas einzutauschen, geht nur mit Euren Sachen sparsam um und seid froh, daß Ihr noch etwas Stoff habt, denn er wird noch weniger werden, lieber alles verstecken im Stadl oder sonstwo. Man muß die Gesetze hintergehen, wo man nur kann, denn die haben ja auch kein Interesse an uns, macht es immer nur so, daß man Euch nicht fassen kann, sonst wird Euch der Kopf abgehackt. Jetzt ist Himmler Innenminister, der geht über Leiche, da wird der Krieg so schnell nicht aus, die raufen noch, wenn alles schon ein Trümmerhaufen ist. Will Euch nur warnen, seid vorsichtig mit den Reden, denn die kennen keine Gnade, denkt immer, wen Ihr vor Euch habt. Man soll sich nie ganz zeigen, wie man im Inneren gestimmt ist, wehe denen, die heute immer meckern, wenn der Krieg zu unseren Gunsten ausginge. Ich will Euch nur die besten Ratschläge machen, damit Ihr in keine Unannehmlichkeiten kommt.
Mit Fanny habe ich schon gesprochen mit so kleinen Heiligenbildchen, die kann sie in einen 100 gr. Päckchen senden. Sendet mir nur keine Sachen zum Vertauschen, die für Euch großen Wert haben, denn ich schlage mich schon durch. Wenn ich längere Zeit wieder hier bin, da kann man sich schon was eintauschen, nun bekomme ich schon wieder ab und zu wieder Eier und Milch und so viel Verpflegung bekommt man auch, daß man nicht verhungern braucht, denn zu einer Mastkur bin ich ja letzten Endes auch nicht hier.
Nun meine Lieben verträgt Euch mitsammen und teilt Leid u. Freude, wie es eben kommt, Ihr wißt ich halte ja nur zu Euch und will nur Euer Bestes. Auch meiner Mutter brauch Ich nicht alles auf die Nase binden, Familiensachen soll niemals fremden Menschen anvertrauen. Wenn es Euch möglich wäre, könnte ich ein Paar Hausschuhe brauchen, weil ich keine mehr habe, keine Strohschuhe nicht, denn solche wird man ja in Rußland auch bekommen.
Jetzt habe ich die Zeit der Sehnsucht schon überwunden, die erste Zeit glaubte ich nicht bleiben zu können, nun habe ich mich wieder eingewöhnt und braucht nicht so besorgt zu sein, muß es nochmals sagen, so gefährdet bin ich nicht. Nun habe ich Euch genug geschrieben, diesen Brief wenn sei lesen würden, dann würde ich den Genickschuß bekommen.
Nun muß ich wieder schließen, seid vielmals gegrüßt auf ein frohes Wiedersehn hoffend freut sich Euer Otto.

Gebt halt meinen Kameraden ein kleines Paket mit nicht zu groß.
Euer erstes Paket erhalten. Adr. Anton Pfeffer Gotteszell b. Viechtach (Niederbayern)

 

 



Ansicht des Briefes

 

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