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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 04.07.1915 (3.2009.0064)

 

Geschrieben, den 4. Juli 1915


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Meine Lieben!
Gestern bin ich bei bestem Willen nicht dazu gekommen, zu schreiben, es wird wohl nicht schlimm sein.
Auf Peter und Paul sind wir von Mayot weggegangen. Abends 7 Uhr hieß es auf einmal: „Auf, in den Schützengraben!“ Wohin wußte niemand. Nur war uns gesagt worden, in die Gegend von Reims. Auf der nächsten Bahnstation wurden wir in Güterwagen verladen. In dreistündiger Fahrt gelangten wir über Laon nach Anizy, wo wir ausgeladen wurden. Es war 12 Uhr nachts, und es regnete leise. Nach dreistündigem Marsch, um 3 Uhr, gelangten hundemüde in Notquartieren an, auf einem großen von den Einwohnern verlassenen Bauernhofe. In den Wirtschaftsgebäuden, das heißt in den Schuppen, Scheunen und Stallungen wurden wir untergebracht. Meine Compagnie kam in den großen Pferdestall. Aus der Scheune haben wir uns Heu geholt, dasselbe auf den Mist gestreut und darauf vorzüglich geschlafen.
Den ganzen Tag, den 30., hatten wir volle Ruhe. Abends um 7 Uhr sind wir zur Stellung aufgebrochen. Ungefähr 3 Stunden währte der Marsch. Der Weg war beschwerlich; er führte bergauf, bergab; 1 Stunde lang ging es durch einen Laufgraben. Es wurde dunkel, als wir im Graben waren. Gleich wurden uns Unterstände zugewiesen, die schönsten u. besten, die wir bis jetzt gehabt haben. Sie sind sehr fest gebaut und ziemlich geräumig. Zu acht Mann liegen wir in einem solchen Unterstand. Gut gefüllte Strohsäcke bieten ein gutes, weiches Lager. Nur etwas ist an allen Unterständen auszusetzen; sie bergen Läuse, Mäuse, Flöhe und Ratten. Die Tiere sind so dreist, daß sie Nachts über einen laufen. Allerdings kümmert das einen wenig; man ist das gewöhnt und meint, es müsse so sein.
Was unsern Graben sehr angenehm macht, ist, daß er im Walde liegt, am Bergabhang. Der Graben läuft wie der Waldrand, etwa 20 m hinter diesem. Durch die Bäume und Sträucher schaut man auf die französische Stellung im Tale; sie liegt auf freiem Felde. So können wir die Franzmänner auf das schönste beobachten, während sie uns im Walde nicht sehen können. Zum Schutze ist vor unserm Graben von Baum zu Baum kreuz u. quer von oben nach unten und von unten und oben Stacheldraht gespannt. Das ist ein unüberwindliches Hindernis.
Das schönste an der ganzen Stellung ist, das kaum geschossen wird. Stundenlang ist es so ruhig wie in einem friedlichen deutschen Walde.
Postkarten sind noch keine da.
Euer Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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