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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 17.05.1915 (3.2009.0064)

 

Avion, den 17.5.1915


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Liebe Eltern und Geschwister!
Vorerst nochmal die Mitteilung, daß ich die Pakete 4 und 5 sowie das Stollwerkpaket erhalten habe. Der Kuchen war vorzüglich; das übrige habe ich nicht nicht probiert.
Im heutigen Tagesbericht werdet Ihr wohl lesen, daß die Franzosen hier an der Lorettohöhe und bei Sondez[?] einem großen Durchbruchsversuch in Gang setzten, ohne jedoch Erfolg zu haben. Glücklicherweise brauchte ich nicht mit nach vorne, weil ich für einige Tage bei den Sanitätern in Behandlung bin. Auf der rechten Hand habe ich seit 14 Tagen eine kleine Wunde, die etwas eitert. Es ist völlig unbedenklich und schmerzt nicht; nur hätte es schlimmer werden können, wenn ich jetzt nichts dafür getan hätte. In zwei Tagen bin ich wieder dienstfähig. Also braucht Ihr Euch keine Gedanken zu machen. Nun gut. Gestern gleich nach Mittag hub ein entsetzlicher Kanonendonner an. Ein Zeichen, die Franzmänner wollen angreifen. Im Nu waren die Truppen, die in den Ortschaften herumliegen, alarmiert. Eine Kompagnie folgte der andern; alles in schnellem Marsch zur Stellung. Gleichzeitig fuhren die großen Munitionskolonnen der Artillerie zur Stellung, um Munitionsersatz an die Geschütze heranzubringen. Die französ. Artillerie schoß wie verrückt. Schon glaubte man, daß die Franzmänner durchgebrochen seien.
Da mußte sich alles zum Rückzug bereitmachen. Im Lazarett mußte jeder seine Sachen fertig machen. Die Medikamente und Verbandsachen wurden eingepackt. Alles war bereit zur Flucht. Bald sah man die ersten Verwundeten. Die Leichtverwundeten kamen einzeln an. Einen kannte ich von […] her, er war dort mit mir ausgebildet worden. Nun hatte er einen Schuß durch die Schulter. Das Geschoß war über dem Schlüsselbein hereingegangen und unter dem Schlüsselbein herausgekommen. Er war froh, so wieder nach Deutschland zu kommen. Auf Bahren kamen Schwerverwundete an, die Verwundungen von Granatsplittern und Schrapnellkugeln hatten. Schließlich hörte man von den Verwundeten, die Franzosen seien zurückgeschlagen. Alles atmete erleichtert auf. In die Straßen standen die französ. Männer und Weiber, die jeden Augenblick dachten: Nun kommen die Unseren. Ihre Hoffnungen waren bald hin. Am Abend wurde es ruhig in der Front. In der Nacht scheinen jedoch noch mehrere Angriffe gewesen zu sein. - Unsere Kompagnie hat noch keine Verluste.
Es grüßt herzlichst Johann.

 

 



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