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Brief (Transkript)

Johannes Wierich an seine Familie am 02.10.1915 (3.2009.0064)

 

Bucy le Long, den 2. Okt. 15


1)
Meine Lieben!
Euer Brief vom 26. Sept. erreichte mich vorgestern; am gleichen Tage erhielt ich das Hemd. Daß ich das Pfund Butter bekommen habe, habe ich doch meines Wissens mitgeteilt. Heute Morgen habe ich die letzte davon gebraucht, und diese Butterbrote mit den letzten Stückchen Kuchen belegt.
Ja, hier im Westen ist allerhand los. Doch ist in unserer Stellung nichts Besonderes vorgefallen. Hier wird es überhaupt ruhig bleiben, bis es von deutscher Seite aus einmal richtig anfängt. Wir liegen ja hier von allen Truppen am nächsten an Paris. 90 km sind es bis dahin. (2 Tagemärsche.)
Doch haben wir auch etwas gespürt von den riesigen Kämpfen rechts und links von uns. Wir hörten das starke Artilleriefeuer von Souchez und erhielten auch selbst in den letzten Tagen mehr Granat- und Minenfeuer. Doch hat unsere Compagnie noch keine Verluste gehabt. Seit gestern hat die Feuertätigkeit auch nachgelassen, sodaß es heute wieder ruhig ist.
Wie ich auf der letzten Karte schrieb, bin ich nicht mehr in Stellung. Der Feldwebel hat mich ins Dorf rufen lassen, um wieder für ihn zu schreiben. Seit gestern Mittag bin ich da fertig und tue vorläufig nichts. So kann ich mich ordentlich ausschlafen u. ausruhen. Mit dem Schlafen in Stellung ist es ja doch nie viel gewesen. Wofür ich jetzt verwendet werde, weiß´ich noch nicht. In Stellung werde ich wohl nicht mehr kommen. Jetzt am 1. Oktober sollten wir überhaupt für 15 Tage in Ruhe kommen. Daraus wird nun nichts, weil die Franzosen so rebellisch geworden sind.
Und nun ein kleines Abenteuer von gestern Nachmittag! Mit einem Unteroffizier ging ich über einen Weg, der am Tage verboten ist, weil er von den Franzosen eingesehen wird. Sobald nur einer sich da sehen läßt, saust eine Granate herüber. Wir laufen schnell über diese offene Stelle und gehen dann im Schutze von Häusern ruhig weiter. Aber wir sind noch nicht am zweiten Hause, da hören wir einen Abschuß und in ein paar Sekunden ist\'s auch schon da. Kaum haben wir Zeit in den nächsten Hausflur hereinzustürzen, da krepiert mitten auf der Straße die Granate! - Na, nächstens passiert es nicht wieder und seid herzlich gegrüßt von
Eurem
Johann

 

 



Ansicht des Briefes

 

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