O.U. den 13.6.44

Meine liebes Süßes!

Ich werde Dir den heut versprochenen Brief schreiben. Gestern hatte ich wenig Zeit und es wurde auch schon dunkel. Wir sind jetzt endgültig am Ziel. Und sind zum Bahnschutz eingesetzt. Der Dienst ist bis jetzt nicht schlecht, denn alle 9- bis 12 Std. kommt man ran zur Wache. Es ist eine Brückenwache, schön in den Bergen und herrlichen Wiesen sogar ein bischen Wasser ist dabei. Leider kommen die Flieger oft, aber das soll uns nicht erschüttern. Mit zehn Mann haben wir eine Villa bezogen dazu ein Garten mit vielen Obstbäumen. Kirschen und Erdbeeren habe ich schon viel gegessen. Ich bin wieder mit Paul zusammen. Schön ist es ja hier, aber mein liebes Spinnchen, weißt Du was noch schöneres? Nach Hause möchte ich. Es fahren ja Urlauber, aber mir geht es viel zu langsam. Aber vielleicht ist der Krieg nun doch bald zu Ende. Wie oft habe ich von Dir geträumt aber leider war alles Schall und Rauch. weißt Du auf was ich Appetit habe? Da muß man sich hier quälen und sich Jahr und Tag alles verkneifen und weshalb? Aber deshalb Spinnchen gehe ich Dir doch nicht auf Abwege. Einmal wird ja auch der Tag kommen wo wir wieder beide eins sein werden. Aber die besten Jahre vergehen so dahin und zum Schluß ist man alt und grau. Manchmal kann einen auch die Verzweiflung packen, aber was nützt es, man muß ja weiter denken. Ich möchte alle Tage trocken Brot essen, aber zu Hause sein. Hier ist eine Bombenhitze, man möchte sich kaum bewegen, Du weißt ja, wenn mir’s schon zu warm wird, dann ist schon was los. Einen neuen Anzug habe ich auch bekommen auch ein Schirmmütze. Mein Zivilanzug wäre mir ja lieber. Wenn ich mal lustig bin werde ich mal an Ludwig schreiben. Und noch was, es kann doch mal möglich sein, daß ich unverhofft in Urlaub komme, so hinterlasse, wenn Du irgendwo hinfährst die Adresse, sonst muß ich Dich wieder suchen Ja, ja Spinnchen wie schön war alles und wenn man sich bedenkt, wie es jetzt alles ist, dann könnte man die Wut kriegen. Ich glaube es wird gleich ein Wetter geben denn es macht sich ganz schön dunkel. Da muß ich mir schnell eine Bude bauen und mit Dir angeben. Wärst Du einverstanden? Für eine Ilse meinst Du wären wir zu alt, ich glaube es ja auch bald, es ist eben schade drum.
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So Spinnchen jetzt will ich weiterschreiben. Inzwischen ist ja ein anderer Tag geworden und ich habe meine Nachtwache hinter mir und da fallen einen wieder andere Gedanken ein. Wie schön ist doch die Welt so am frühen morgen, alles friedlich als ob kein Krieg wäre, und doch sind die Menschen sich feindlich gesonnen. Noch vor ein paar Stunden war wieder ein lustiges Feuerwerk da haben sie in unserer Nähe abgeladen. Es stimmt schon wie Du schreibst es ist alles so traurig. Unsereiner lebt wie ein Gefangener, immer denselben Fraß, Bohnen, Erbsen Graupen und dann geht’s wieder von vorn los. Wenn man sich nicht selber was besorgt, dann ist es schlecht bestellt. Margarine und Käse sind die kalte Verpflegung. Ich habe heute schon einen Kirschbaum maß genommen sonst kommt man völlig auf den Hund. Und zum kaufen gibt es auch hier nichts rechtes, denn die Bevölkerung sieht uns nicht gerade gern. Wir sind eben auf der ganzen Welt verhaßt. Wenn man dieses Elend hier so sieht, dann ist es auch verständlich. So wie es diesen Menschen hier geht, ist es auch mit uns. Man ist verheiratet und drückt sich vier Jahre hier umher. Alle Jahre darf man einmal nach Hause. Ist es da ein Wunder, daß so manche Ehe platzt, denn nicht alle Menschen sind egal und überstehen das so ohne weiteres. Und rein menschlich gesehen, ist es beinahe zu verstehen, wenn da und dort Fehltritte vorkommen. Es kommt eben auf die Veranlagung an. Du und ich halten das vielleicht aus, aber auch nur weil wir in unserm Inneren zusammen passen und wir uns gegenseitig verstehen. Ich muß schon sagen, solange wir auseinander sind ist meine Liebe zu Dir nur noch inniger geworden, denn du bist doch das einzige Liebe was ich auf der Welt habe. Hätte ich Dich nicht mehr, dann wäre es mir ganz egal, ob ich wiederkomme oder nicht, denn dieses Jammerleben steht mir bis oben hin. Man kann hier manchmal verzweifeln, aber man muß sich immer auffangen und sich sagen du mußt wieder nach Hause kommen, denn dein Spinnchen wartet auf dich. Ja, meine Süße solche Gedanken kommen einen hier an, aber ich will schon noch aushalten. Denn lange kann es nicht mehr dauern. Eine Entscheidung bahnt sich an. Laß auch Du den Mut nicht sinken, und wir kommen über alles leichter weg. Ich werde ja jetzt kaum Post bekommen, denn nach der Adressenänderung vergeht eine geraume Zeit ehe sie uns finden. Wie lange geht denn die Post von hier? Es ist ja eine versteckte Ecke und ich glaube da wird es mitunter lange dauern. Hast Du die Pakete erhalten? Ich habe eben Mittag gegessen es gab Drahtverhau (Dörrgemüse) Man schluckt es eben runter. Wenn ich den Brief fertig habe, lege ich mir erst mal hin und niesele ein wenig. Sonst leben wir hier nicht ungünstig es müßte nur etwas besser mit dem Essen sein. Mit Frau Heym ihrer Sache habe ich mich befragt, die Adresse kann ich nicht bekommen, so gern ich ihr den Gefallen getan hätte. Hat sie noch keine Nachricht? Ich glaube ja er wird in Gefangenschaft geraten sein, aber genaues weiß ich natürlich nicht. Es ist jeden Tag so schönes Wetter. Da möchte ich mit Dir nach Kamerun fahren, oft muß ich daran denken wie schön es gewesen ist. Es mutet einem wie ein Traum an. Habt ihr nun von Herbert’s Komp. noch näheres erfahren oder hat sich jemand gefunden der ein paar Zeilen schrieb. So Spinnchen, der Brief hat beinahe zwei Tage gedauert ehe ich ihn fertig brachte eben mußte ich wieder unterbrechen, und den Wein kosten der eben ankam. Davon gibt es hier sehr viel und ich bin schon eine richtige Weinneese geworden. Wenn ich könnte, würde ich Dir gern etwas davon abgeben. Was macht Deine Arbeit. Sonst geht es mir noch immer so einigermaßen. Spinnchen, wenn Du jetzt bei mir wärst würde ich aber mit Dir was feines machen, mir ist gerade so zu Mute. Ein alter Genieser was. So jetzt Schluß ein andermal mehr. Sei mir viel tausendmal gegrüßt und weiterhin alles Gute dann noch eine große Anzahl süßer Küsse
Dein Süßer

Anbei noch ein paar Flugmarken
Gruß an Hanna