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Brief (Transkript)

Gerhard Limpach an seine Eltern und Schwester am 08.11.1942 (3.2002.0883)

 

Lemberg, 8.11.42



Lieber Papa, Mama u. Hilde!

Wir liegen nun schon seit vorgestern vor Lemberg. Gestern Abend kam nun der Befehl, daß wir umschnallen und unsere Brotbeutel u. Decken nehmen sollen. Dann ging es in stockdunkler Nacht durch Lemberg (es wird hier schon um ¼ 5 Uhr dunkel)
in ein Übernachtungsheim. Hier sollen wir 2 Tage bleiben. Ich will Euch nun einmal über die Fahrt berichten, da ich heute die beste Zeit zu habe.
Also, am Sonnabend um 1 Uhr nachts ging es von Brandenburg los. Wir wurden zu je 42 Mann in einen Güterwagen verladen mit allem Gepäck. Das ist verdammt eng. In den ersten Tagen ging es ja noch. Am schlimmsten sind die Nächte. Man weiß nicht, wie man liegen soll. Ich liege auf einer schmalen Bank, wenn ich morgens aufwache, bin ich völlig steif. Meistens muß man nämlich die Beine einziehen, dazu kommt noch das Schütteln des Wagens – es ist nicht sehr schön. Wir sind sehr zufrieden, daß wir 2 Nächte richtig schlafen können. Also, nun mal wieder der Reihe nach: von Brandenburg fuhren wir nachts durch Berlin und als wir morgens aufwachten, standen wir in Schöneweide, und zwar bis 3 Uhr nachmittags ungefähr. Dann, inzwischen war an unseren Zug ein weiterer Transport angehängt worden, ging es im flotten Tempo über Grünau; Königs Wusterhausen, Lübben, Kottbus, Hirschberg, Neiße, Ratibor, Petrowitz, Krakau, Tornow, Reichshof, Zurawića, Lemberg. Wir haben also eine ganze Menge gesehen. Allerdings blieben wir oft, sehr oft, unterwegs stehen. Sonst kann ich nichts Besonderes weiter berichten.
Soeben mußte ich den Brief unterbrechen, wir machten einen kleinen Rundgang durch Lemberg. Wir hatten allerdings wenig Zeit (von ½ 11 bis ¼ 1 Uhr). Es soll jetzt Mittag geben. Lemberg ist eine ganz ansehnliche Stadt; abgesehen von ärmlichen Wohnungen hat es sehr schöne Bauten. Es ist allerdings hart mitgenommen worden. Überall zerschossene und ausgebrannte Häuser. Überhaupt, nach Überfahren der Demarkationslinie sahen wir das häufig, ebenso eine ganze Menge Gräber. Auf den Dörfern ist das Elend sehr groß. Die Kinder betteln einen überall an. Es ist manchmal ganz furchtbar. Man kann noch immer ganz zufrieden sein mit den Rationen in der Heimat. Wir haben seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und ganz schönen Hunger. Auch im Café heute war nichts zu bekommen, erst ab 12 Uhr. Wir haben uns also jeder 2 Wodka geleistet, zusammen 1,20. Eben jetzt gab es Mittag: Fleisch, Kartoffeln und Rote Rüben. Auch im Waggon ist die Verpflegung ganz gut, bloß Brot ist etwas knapp. 2 Brote für 5 Mann, jeder ordentlich Schmalz oder Butter, Zigaretten und Zigarren, Büchsenfleisch und Drops. Es geht also. Gegen Zigaretten tausche ich mir oft Brot ein. Nun muß ich Schluß machen, aus den 2 Tagen wird nichts, wir fahren gleich ab (8.11. um 16 Uhr). Wir [...]

 

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