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Brief (Transkript)

Gerhard Limpach an seine Eltern und Schwester am 26.12.1942 (3.2002.0883)

 

Darniza, den 26.12.42



Liebe Eltern u. Hilde!

Heute möchte ich Euch über den bisherigen Verlauf unserer Reise berichten. Wir liegen hier nun seit dem 24.12. abends in einer großen Kaserne in unmittelbarer Nähe von Kiew. Am 24.12. nachmittags kamen wir in Kiew an, nachdem wir uns unterwegs ordentlich satt gegessen hatten. Wir hatten das sehr nötig, denn vom 22.12. abends bis 24.12. vormittags hatten wir nichts zu essen. Am 24.12. vormittags kamen wir dann an eine Stelle des Roten Kreuzes, wo wir endlich unsere Marschverpflegung erhielten sowie Graupen, Linsen und Nudeln. Wir aßen so viel, daß wir tatsächlich kaum noch laufen konnten, trotzdem aßen wir eine Weile später nochmals. Heute wünschen wir uns, wir hätten dort bleiben und Weihnachten feiern können. Der Ort hieß Fastow, kurz vor Kiew. So gegen 2 oder 3 Uhr fuhren wir dann weiter und langten nach 2 Stunden in Kiew an. Vorher hieß es, jeder solle ein Paket bekommen, natürlich bekamen wir keins. In Kiew standen wir nicht lange, sondern fuhren weiter. Dabei kamen wir über die 2 km lange Dnjepr-Brücke. Ehrlich gesagt, es war doch ein komisches Gefühl, als man da hinüber fuhr. Die Brücke ist ja von den Russen gesprengt worden und unsere Pioniere haben eine neue gebaut, die aber nur so schmal ist, daß gerade ein Gleis darauf liegen kann. Ein Geländer fehlt ganz und dazu dann die große Höhe. Außerdem kann man damit rechnen, daß man mitsamt der Brücke in die Luft fliegt. Das Partisanenunwesen ist ja hier sehr groß. Wir haben deshalb jeder scharfe Munition bekommen. Es ist ja ungeheuerlich, was unsere Pioniere hier geleistet haben. – Also, wir fuhren weiter und kamen um 8 Uhr in Darniza an. Hier wurden wir mitsamt unserem Gepäck ausgeladen und kamen in eine Verpflegungsstelle des DRK, die an der Bahn lag. Hier sollten wir nun Weihnachten „feiern“. Die Schwestern gaben uns ein kleines Stück Schokolade und 2 Rollen Drops, mir wäre es jedoch lieber gewesen, ich hätte überhaupt nicht gefeiert, sondern wäre im Waggon geblieben. Ich hatte mir die Kriegsweihnacht 1942 bestimmt anders vorgestellt. Wenn ich wenigstens noch ein Päckchen von Euch erhalten hätte. Nun, ich feiere eben, wenn ich die Päckchen bekomme. Nach der „Feier“, während der wir noch ins Freie mußten, um den Insassen eines Urlauberzuges Platz zu machen, marschierten wir dann zur Kaserne, wo wir bis zum 29.12. bleiben sollen, um mit dem Gros unseres Marschbataillons weiterzufahren. Ihr seht, ich habe mein Weihnachtsfest gut verlebt!
Wie habt Ihr denn das Weihnachtsfest begangen? War denn der Weihnachtsmann bei Euch reichlich? Habt Ihr einen schönen Weihnachtsbaum bekommen? Für mich war es das beste, gar nicht an zu Hause zu denken. Ich freue mich auf das nächste Jahr, wo ich Weihnachten hoffentlich zu Hause feiern kann. Neujahr werden wir ja wahrscheinlich wieder auf der Bahn begehen. Hoffentlich, denn ich bin zufrieden, wenn wir erst wieder fahren und endlich ans Ziel kommen. Ich bin nur gespannt, wo wir landen werden. In einem Ort bekam unser Leutnant ein Telegramm, nach dem wir nach Griechenland kommen sollen. Ob das wahr ist, weiß kein Mensch. Abwarten. Sonst geht es mir gut, in den Feiertagen haben wir mal richtig gefaulenzt. Am Montag wird das wohl anders, dann müssen wir mit den Pionieren, mit denen wir hier zusammen liegen, Dienst mitmachen. Am Mittwoch fahren wir hoffentlich wieder. So, nun habe ich wohl alles berichtet. Es ist ja ein richtiger Klagebrief geworden und liest sich wohl schlimmer, als es wirklich ist. Als Soldat gewöhnt man sich an alles. Nun wünsche ich Euch ein frohes und gesundes neues Jahr. Wollen wir das Beste hoffen, daß uns das nächste Jahr den Frieden bringt. Seid also recht herzlich geküßt und gegrüßt von Eurem
Gerhard

Solltet Ihr mir Verwanden oder Bekannten zusammenkommen, so zeigt Ihnen doch den Brief, ich komme vorläufig doch nicht zum Schreiben

 

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