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Brief (Transkript)

Friedel H. aus Gotha an Charlotte M. nach Göttingen am 15.02.1981

 

Gotha, am 15.02.1981

Liebe Charlotte!

Früher habe ich nie verstehen können, daß jemand „schreibfaul“ sein kann – jetzt muß ich einschätzen, daß ich es selber bin. Natürlich hat der innere Schweinehund auch dafür eine Entschuldigung: Wenn man 4 Tage in der Woche jeweils 4,5 Stunden intensiv hört, geistig verarbeiten muß und dann in die Maschine überträgt, möchte man zu Hause kein Schreibmaschinengeklapper mehr hören.
Heute habe ich mir aber innerlich und äußerlich, wie schon so oft, einen Ruck gegeben, um meinen Stapel Post, besonders die anläßlich meines Geburtstages, zu beantworten.

Zunächst möchte ich mich also für Dein Päckchen zum Geburtstag bedanken; es war vollständig! Ich habe mich sehr gefreut und es war auch genau zum Geburtstag hier angekommen.

Deine Fragen im Brief vom 1.2.81 kann ich Dir wie folgt beantworten:
- Den Reisebericht von Verdun habe ich in 3 Raten erhalten. Hätte nicht der 1. Weltkrieg reichen müssen, um alle Kraft für die Erhaltung des Friedens einzusetzen? Aber der 2. Weltkrieg hat 20 Millionen Menschenleben gekostet, einzig und allein um neue Territorien zu erobern und um des Profites willen für einen kleinen Personenkreis. Aber über Politik wollen wir uns lieber nicht unterhalten. Dafür sind unsere Standpunkte zu unterschiedlich. Also lassen wir es lieber.
- Mein Ischias werde ich wohl nicht wieder los werden. Sobald es ein wenig kälter wird oder ich bekomme kalte Füße, gehen die Schmerzen wie Wehen oder Wellen durch mein linkes Bein.
- In bezug auf meinen Schwiegersohn hat meine Bärbel viel Sorgen gehabt. Am 14.1.81 ist er ins Krankenhaus gewandert und am 16.1.81 wurde er operiert. Er hatte ein Geschwür an der Bauchspeicheldrüse. Nun hat er keine Schmerzen mehr und ist auch inzwischen wieder zu Hause. Selbstverständlich bleibt er noch in ambulanter Behandlung. Er hofft aber, daß er nach nunmehr über einem Jahr Arbeitsunfähigkeit – mit nur ganz kurzer Unterbrechung – bald wieder seinen beruflichen Aufgaben nachgehen kann. Voraussichtlich fahre ich zu Ostern wieder nach Berlin.

Es fällt mir schwer, aber meine Bärbel hat ein Anliegen, das ich leider von hier aus nicht erfüllen kann. Und vom Peter habe ich seit März vorigen Jahres nichts wieder gehört, so daß ich es vorziehe, keinen 4. Brief zu schreiben. Ich weiß zwar nicht, warum das so ist, denn wir sind im besten Einvernehmen auseinandergegangen. Sicher ist es verständlich, wenn auch ich daraus meine Schlußfolgerungen ziehe und mir nicht erlaube, eine Bitte auszusprechen. Bärbel möchte nämlich für eine Hobbybeschäftigung ein Glasritzwerkzeug mit Muster. Selbstverständlich nur, wenn es finanziell nicht zu viel wird. Vielleicht kann ich mich in irgendeiner Form revanchieren. Ich weiß selbstverständlich nicht, ob es solche Sachen in Gö. gibt. Wenn es zu teuer ist oder die Beschaffung mit viel Mühe verbunden ist, dann lassen wir es eben.

- Bei uns ist seit November zum vierten Male der Winter ausgebrochen. Mir steht er bis obenan und ich könnte weinen vor Freude, wenn die Sonne scheint. Es gibt nur wenig Jahre in meinem Leben, wo ich mich so auf den Frühling gefreut habe wie jetzt. Es ist schon eine Wohltat, daß die Tage länger werden, ich meine spürbar länger geworden sind.
Nun geht es auch wieder weiter mit der Grabpflege. Du brauchst Dir keine Gedanken zu machen deshalb. Vom Willy kann man es nicht verlangen und wenn vonseiten der Seebergstrasse der Wille vorhanden wäre, dann hätte es schon im vorigen Jahr Möglichkeiten gegeben. So lange ich es kann, mache ich es selbst. Wenn im Sommer nur zu gießen ist, dann nimmt mir der Günter das auch zu einem großen Teil ab. Es ist ja relativ einfach für ihn.
Nur noch wenig Wochen und es sind schon wieder 2 Jahre ins Land gegangen, daß Mama nicht mehr lebt. Wie doch die Zeit vergeht.

So – das wären die Fragen in Deinem Brief. Ich hoffe, daß Ihr die Grippe überstanden habt. Leichte Anzeichen bei mir beseitige ich ebenfalls mit Vitaminen und ein bei uns sehr preiswert und leicht zu erhaltendes Medikament, so daß mich die Grippe im wesentlichen verschont hat.

Vielen Dank noch für die kleinen Beilagen, wie z.B. den Zeitungsartikel „….. über den größten Unruhestifter des Geistes“ – Jean Paul Sartre!
Für die neue Stickarbeit gibt es leider bei uns keinen Untergrundstoff. Wie ich in unserer Presse gelesen habe, soll im Laufe dieses Jahres Knüpf- und Stickstoff produziert werden, so daß man dann auch bei uns diesem Hobby frönen kann. Auch die 3/4-lange Jacke gefällt mir gut. (Diesen kleinen Modeausschnitt hattest Du mir im vorigen Jahr mal beigelegt) Dazu braucht man aber sehr viel Wolle.

Nach dem Besuch von Onkel Egon im November, als Dieter und Hanna hier waren, habe ich außer der Weihnachtskarte nichts wieder gehört. Sobald es mit dem Wetter besser wird, will ich doch mal wieder nach Eisenach fahren. Er hat doch im Mai seinen 80. Geburtstag.

Wie Dieter mir schrieb, hat er vor, im Sommer seinen Urlaub hier zu verbringen, weil er keinen Ferienplatz bekommen hat – bis jetzt jedenfalls. Das kann er natürlich zu jeder Zeit. Meinen Urlaub muß ich allerdings mit meinem Chef abstimmen, damit ich nicht wieder in einer andern Zweigstelle des Kollegiums der Rechtsanwälte eingesetzt werden kann. Ich habe es sehr gut dort, wo ich bin. Das Ehepaar ist sehr gefällig. Ich brauchte z.B. einen Tag vor meinem Geburtstag, was eigentlich ein Arbeitstag war, nicht zu kommen. Das war für mich ebenfalls ein Geschenk, denn die Hausarbeiten gehen doch nicht mehr so schnell, wie es einmal war. Man wird eben älter!

Ansonsten ist bei uns alles in Ordnung. Die letzte Jugendweihe in unserer Familie steht im April ins Haus. Auch das wird vorübergehen. 1982 und 1984 haben meine beiden Söhne ihre „Silberne“ und sicher wird es auch ein- oder mehrere Male eine Hochzeit in der Familie geben. Man kann in solchen Sachen nie wissen, wie schnell es mal gehen wird.

Sicher wirst Du mit Herrn B. wieder viel im „Grünen“ sein und dort Entspannung suchen von Deiner sicher nicht einfachen Arbeit. Denn geschenkt wird niemandem etwas in seinem Leben. Zu dem Personenkreis, der sich durch „Kupons“ sein Geld verdient, gehören wir ja alle nicht und das ist auch gut so!

Ich wünsche Dir und Herrn B. Gesundheit und Schaffenskraft und viele schöne Stunden.

Deine Schwester
Friedel

 

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