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Brief (Transkript)

Friedel H. aus Gotha an Charlotte M. nach Göttingen am 13.02.1980

 

Gotha, am 13.02.1980

Liebe Charlotte!

Habe herzlichen Dank für Deinen Brief vom 27.01.1980 und Deine Geburtstagsgrüße aus Hannover. (Ein schönes Rathaus!)

Onkel Egon war zu meinem Geburtstag hier in Gotha. Nach wie vor habe ich den Eindruck, daß er sich einbildet, daß nur e r Schicksalsschläge hinnehmen mußte. Aber das schreibe ich nur Dir und habe es auch niemand anders gesagt.
Er kommt einfach mit seiner Zeit nicht zurecht, so daß für Hobbies gar nichts übrig bleibt. Allein die Beantwortung seiner Post macht ihn schon ganz fertig. Andererseits beschwert er sich aber, daß so einige Bekannte sich nicht um ihn kümmern. Ich versuche jedenfalls, ihn etwas auf „Humor“ umzustimmen.

In bezug auf Makramee gibt es auch bei uns so einige Experten. Nur mir macht es wahrscheinlich keinen Spaß, jedenfalls habe ich es noch nicht versucht. Als ich gestern in Jena bei Christel war, habe ich sehr nette Sachen in ihrer Wohnung gesehen; aber sie hat sie auch gekauft, weil sie ein produktives Hobby, nämlich die Schneiderei hat.

So weit ich informiert bin, hat es auch bei Euch im Fernsehen eine Mitteilung über den Bilderdiebstahl in Gotha gegeben. Die Bilder wurden noch nicht gefunden. Eins soll vor kurzer Zeit in einem Volvo bei Westberlin auf der Autobahn durch einen Verkehrsunfall gefunden worden sein. Es war eine ganz raffinierte Sache hinsichtlich der Durchführung des Diebstahls. Vielleicht hat jetzt mancher eine andere Einstellung zu den von uns in den Museen durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen.

Zu den Sachen, die Du geschickt hast, habe ich in meinem Brief vom 03.02.1980 schon geschrieben. Es haben sich alle gefreut. Mit dem Lameestoff wußten wir anfangs nicht, was wir damit machen könnten. So viel ich weiß, hat sich aber auch dafür Verwendung gefunden, denn Martina geht zum Fasching und hat sich gemeinsam mit ihrer Mutter etwas zurechtgemacht.

Wenn die Arbeit Freude macht, ist sie ja schon fast halb getan. Auf diese Weise kommt man über manches hinweg, was einem auch nicht immer gefällt. Ich wünsche Dir jedenfalls weiterhin Erfolg im Beruf.

Nun kommt eigentlich das schwerste, was ich heute schreiben muß. Ich hätte es ja schon am 03.02.80 erledigen können, aber da war ich noch nicht ruhig genug über die Angelegenheit.
Du kannst Dich doch sicher erinnern, daß ich im Herbst 1978 an den Rat der Stadt Gotha – Wohnungswirtschaft – wegen der Bereitstellung von zwei kleinen Wohnungen für Mama und mich anstelle der 3-Raum-Wohnung geschrieben habe. Der Antrag wurde abgelehnt mit der Begründung, daß durch die Stadtkernsanierung ein solcher Tausch nicht möglich sei, also eines gegen zwei zu tauschen.
Ein Gespräch im Sommer 1979 mit einem Kreistagsabgeordneten in dieser Frage, ob ich nun meine Wohnung los werde, wurde mir mit den Worten beantwortet, daß „sich der Rat der Stadt Gotha nicht um ein halbes Zimmer streitet.“ Sinngemäß wurde mir gesagt, ich sollte mir darüber keine Sorgen machen. Selbstverständlich war dieser Mann nicht in erster Linie dafür zuständig, aber er arbeitet auf dem Gebiet der Wohnraumlenkung eng mit dem Rat der Stadt Gotha zusammen und ich kenne ihn schon sehr lange und schätze ihn auch wegen seiner vorbildlichen Arbeit.
Ich habe also auf Grund dieses Gesprächs so einiges hinsichtlich der Einrichtung des Zimmers unternommen, wie z.B. neue Auslegware angeschafft, den zweitürigen Kleiderschrank und einige andere Einrichtungsgegenstände an Karin gegeben, damit ich Platz bekam. Das Vertiko habe ich in mein Wohnzimmer gestellt und es wurde so ein ganz nett eingerichteter Raum daraus, denn meine Möbel, die teilweise auf dem Boden standen, konnte ich wieder nutzen. Nur der große Kleiderschrank war noch im Zimmer.

Nun ist aber doch der „Streit“ losgegangen. Am 3.1.80 wurde ich angerufen und gefragt, ob ich bereit wäre, aus meiner Dreiraumwohnung auszuziehen, die ich ja jetzt als alleinstehende Person innehätte. Mich hat es bald aus den Schuhen gehauen. Es war das eingetreten, was ich immer befürchtet hatte. Nachmittags fand dann in meiner Wohnung eine Aussprache mit dem Herrn vom Rat der Stadt Gotha statt. Es ging – trotz großer Sachlichkeit meinerseits – ziemlich hoch her, zumal mir mit Erfassung usw. gedroht wurde, was jedoch nicht Exmittierung o.ä. bedeutet. Seit diesem Tag bin ich fix und fertig. Dabei geht es mir nicht darum, daß ich kein Verständnis hätte für eine gerechte Wohnraumverteilung, denn trotz des großen Neubaugebietes gibt es noch immer Sorgen. Mir ging es besonders darum, daß man glaubt mit mir alles machen zu können. Auf meine Frage, nachdem ich es selbstverständlich abgelehnt habe umzuziehen und den Drohungen dieses Herrn, nach dem Äquivalent, hat man mir keine klare Auskunft geben können. Fest steht jedenfalls, daß ein Musiker vom Staatlichen Sinfonie-Orchester m e i n e Wohnung will, um für sich s e i n e Wohnung zu haben. Bei uns heißt es aber: Zuerst jedem e i n e Wohnung! Seitens des Rates der Stadt hat man mir natürlich auch meinen Antrag von 1978 vorgehalten, den ich ja nicht abstreiten konnte. An dem Gespräch hat Günter teilgenommen, damit ich Zeugen habe, weil ich es auch abgelehnt habe, in die Abteilung zu kommen. Wer etwas von mir will, muß schon zu mir kommen. Ich wollte aber Zeugen haben und auch einen Menschen, der mit einigen „Methoden“ auf diesem Gebiet Bescheid weiß.

Wir haben für eine endgültige Entscheidung meinerseits eine Frist verlangt und sind zu der Meinung gekommen, daß ich mich mit einer Umsetzung einverstanden erkläre, wenn folgende Voraussetzungen dazu erfüllt werden:

- Neubau (Erstbezug), also mit Fernheizung;
- keine Parterrewohnung, höchstens im 2. Obergeschoß;
- keine Belästigungen durch Besichtigungen meiner jetzigen Wohnung durch die künftigen Mieter;
- schnellste Auskunft über den Termin;
- Auskunft über die voraussichtliche Miete (nach meiner Meinung werden es dann 20 % meiner jetzigen Rente sein);
- Übernahme der Umzugskosten.

Die Entscheidung darüber wird, nach Anmahnung meines Schreibens, voraussichtlich im Monat Februar fallen. Ich versuche, aus dieser unangenehmen Situation noch etwas Angenehmes für mich herauszufinden, wozu gehört, daß ich keine Kohlen mehr zu schleppen brauche, daß man mir auch zu einem späteren Zeitpunkt nichts mehr wegnehmen kann, daß ich näher an unseren Garten herankomme, also nicht mehr so einen weiten Weg habe. Die finanzielle Seite werde ich schon verkraften, ich habe es ja gelernt, bescheiden zu leben. Nur meine Ruhe möchte ich endlich haben und nicht mehr das neidische Gequatsche hören, daß „ich ja sogar einen Balkon habe usw.“

Aus dieser ganzen Sache ergaben sich nun einige Konsequenzen für mich.
Ich habe annonciert und Ende voriger Woche den großen Schrank verkauft. Auch die Stühle werden im Laufe der nächsten Woche abgeholt.
Der Erlös wird selbstverständlich aufgeteilt.
Auch von meinen Sachen muß ich mich teilweise trennen, denn ich habe mir eine Zweiraumwohnung im Haus, wo Günter wohnt, einmal erklären bzw. messen lassen. Da geht nicht alles hinein, was ich habe, so daß ich bestrebt bin, aus der künftigen Wohnung nicht noch einmal einen Abstellraum für Möbel werden zu lassen.

Ehe ich in Gotha eine weitere Sache regele, habe ich an Dich eine Frage. Der Dieter weiß zwar, daß ich ausziehen muß und ich habe auch wegen der Wäsche und dem Porzellan an ihn geschrieben. Am liebsten wäre es ihm gewesen, ich hätte alle Sachen, wie z.B. den Schrank (wegen dem Spiegel !) deponieren lassen. Ich habe das aber abgelehnt. Ich habe sehr viel Zeit für die ganze Auflösung gebraucht und auch manche Mark ausgegeben, die ich nicht abrechnen kann. (Wege, Telefongespräche, Kosten für Inserate usw.) Hättest Du etwas dagegen, wenn ich die Bettwäsche, Handtücher usw. sowie das Porzellan für mich behalte? Der Dieter will es für die Jungens. Ich habe zwar so ein komisches Gefühl dabei, bin aber der Meinung, daß es nicht nur den Dieter mit seinen Kindern gibt. Vielleicht klingt das von mir aus aggressiv, aber ich habe bei den ganzen Angelegenheiten immer meine besonderen Gedanken gehabt. (Mit dem Begriff „Auflösung“ meine ich alles, was seit dem Tod Mamas auf mich eingestürmt ist)
Solltest Du nicht damit einverstanden sein, so werde ich selbstverständlich alles abgeben. Schreibe mir bitte darüber.

Nach dem Stand der Bauarbeiten am Block, in den ich wahrscheinlich einziehen soll, wird es frühestens im März, spätestens im April geschehen. Es ist also nicht mehr allzuviel Zeit bis dahin.

Die ganze Wohnungsangelegenheit hat natürlich noch eine weitere Konsequenz mit sich gebracht. Das ist meine Rentensache. Ursprünglich sollte ich meine Eingabe, trotzdem alle Kaderunterlagen beim Rat des Kreises sind, an den Vorsitzenden des Rates geben. Nun habe ich den letzten Schlag gegen mich genutzt, um nach Berlin zu schreiben. Die Angelegenheit ist in Bearbeitung und hat nach dem mir bisher bekannt gewordenen Diskussionen ganz schön eingeschlagen. Alle sagen, daß ich auf keinen Fall ausziehen soll. Aber vielleicht verstehst Du mich, wenn ich diesen letzten Schritt nun doch so gehe, wie ich oben beschrieben habe.

Mein Kreislauf hat seit dem 3.1.80 einen ganz schönen Knacks bekommen. Ich brauche morgens mindestens eine volle Stunde, bis ich normal bin. Mir ist ständig schlecht, als wenn ich mich brechen müßte und es dreht sich alles um mich. Als ich gestern früher aufstehen mußte, weil ich mit Frau S. nach Jena fahren wollte, bin ich bald den ganzen Vormittag nicht ansprechbar gewesen.
Man könnte wirklich unter alles so ein schönes Sprichwort setzen, das da heißt: „Der Dank des Vaterlandes ist Dir gewiß. Er wird Dir ewig nachschleichen und Dich nie erreichen!“
Wie recht hatten doch meine Kinder!

Ich will nun Schluß machen und noch einmal um Antwort zur o.g. Frage in bezug auf die Wäsche und das Porzellan bitten. Zur Zeit habe ich selbst keinen einzigen Porzellanteller in meinem Schrank und müßte mir doch einmal etwas kaufen, damit wenigstens einheitliche Teller auf den Tisch kommen, wenn ich auch nicht so pimslig bin im allgemeinen. Aber manchmal habe ich eben auch Besuch und da soll es doch nicht ganz so billig aussehen. Zum Schluß habe ich noch eine kleine Bitte. Schreibe bitte nichts an Willy.

Es grüßt Dich herzlich
Friedel
Grüße bitte auch an Herrn B. ausrichten

Vielen Dank für den 2. Reisebericht!

 

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