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Brief (Transkript)

Friedel H. aus Gotha an Charlotte M. nach Göttingen am 17.09.1987

 

5800 Gotha, am 17.09.1987
[Straße und Hausnummer]

Liebe Charlotte!

Die Post von Euch kommt schneller bei mir an, als die von Berlin. Schon gestern habe ich Deine zwei Briefe mit Inhalt (Bilder) erhalten und möchte mich sehr herzlich bei Dir bedanken. Sie werden eine schöne Erinnerung bleiben.

Wegen der Reisekosten brauchst Du Dir keine Gedanken zu machen. Ich habe ja einiges mitgebracht, was mich dafür weitaus entschädigt hat. Fahrgeld bekommen wir hier nicht zurück. Es ist ja jedem seine eigene ganz persönliche Angelegenheit.

Mit der Höhe des Fahrgeldes kommen wir hier kaum zurecht. Mir wurde vorige Woche erzählt, daß ein Bürger jedesmal einen andern Betrag zu entrichten hat, obwohl er immer die gleiche Strecke fährt. Wir nehmen zuviel als Selbstverständlichkeit hin. Was soll es auch!

Wegen einer nochmaligen Fahrt zu Dir habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Es sind ja für Dich zu hohe Unkosten, wie Übernachtung usw.

Ich habe mir ja in bezug auf meine Kinder keine Illusionen gemacht, wenn mir auch die Formulierung – Kinder sind keine Lebensversicherung – vollkommen neu ist. Ein jeder stirbt für sich allein – das ist die Realität. Es ist egal. Ob man keins, eins oder zehn hat, ein jedes ist anders und jeder „erwartet“ von den Eltern bzw. der Mutter irgend etwas. Ich werde jedenfalls dafür sorgen, daß meine Kinder keinerlei Kosten nach meinem Tode zu tragen haben. Es gibt bei uns die Möglichkeit, sozusagen „unter dem grünen Rasen“ begraben zu werden. Wenn sie wollen, können sie mich in Erinnerung behalten – oder auch nicht.

In bezug auf meine Krankheit ist es eine etwas komische Sache. Denn eigentlich ist es im üblichen Sinne gar keine. Auf dem Papier bei den Ärzten heißt es dazu: chron. Bronchitis. Man könnte auch sagen Asthma. Als ich bald am Verzweifeln war, habe ich mich mal theoretisch mit dieser „Krankheit“ beschäftigt und bin dahinter gekommen, daß es bei mir gar keine organische sein kann, sondern eine Allergie ist, die man, bei etwas gutem Willen und auch Energie, selbst durch seine Verhaltensweisen bekämpfen kann. Natürlich gilt das nicht 100%ig, etwas organisches ist trotz aller Bemühungen auch dabei. Ein Heilkräuterbuch hat mir ebenfalls geholfen. So habe ich im vorigen Jahr des öfteren Huflattichblüten- und Huflattichblättertee getrunken, sehr oft leichte Gymnastik gemacht und bei offenem Fenster geschlafen. Außerdem habe ich durch angenehme Gedanken vor dem Einschlafen, also ein schönes Buch oder etwas, was mir Freude gemacht hat, dazu beigetragen, daß ich eben überhaupt einschlafen konnte. Meine Ärztin hat mir geraten, die von ihr verordneten Tabletten regelmäßig einzunehmen, dann „könnte ich 100 Jahre alt werden.“ Ab und an Luftwechsel – 1985 einmal Ostsee und einmal Zittauer Gebirge und 1987 wiederum Ostsee – haben ebenfalls einen kleinen Mosaikstein gebildet, der mich hoffen ließ. Sorgen macht mir allerdings seit dem 06.11.1986 mein Herz. Das war auch der Grund, daß ich nicht mit nach Eisenach zur Trauerfeier Egon W.s gefahren bin. Am genannten Tag bin ich im Kaufhaus ohnmächtig geworden und mußte nach Hause gefahren werden. Ich war schneeweiß im Gesicht und von dieser Zeit an bin ich vorsichtig geworden, laufe nicht mehr schnell, da ich dann jedes Mal Schwierigkeiten bekomme und „zurückgerufen“ werde.
b.w.


Natürlich gibt es noch so kleine Wehwehchen. Schließlich ist man nicht mehr die Jüngste. E i n e s mache ich aber auf keinen Fall, nämlich mich jedem kleinen Wehwehchen hingeben und ein großes Geschrei darüber anstimmen. Meine Rheumaschmerzen lindere ich mit Einreibezeug. Mindestens geht es vorübergehend zurück mit den Schmerzen. Eigentlich bin ich stolz auf meinen Gesundheitszustand.
Das soll es dazu sein.

Übrigens: Meine Tischdecke ist eine sogen. fleckgeschützte. Die Flecken gehen sehr schnell wieder weg. Also nicht der Rede wert.

Ich bin froh, daß Du keine Schwierigkeiten hattest auf der Heimfahrt. Vielleicht wird doch einiges anders.
Zur Zeit warte ich auf Nachricht vom Dieter, wann er von Finsterbergen mal nach Gotha kommt.

Für heute soll es genügen. Noch einmal herzlichen Dank für die Bilder und für die Gastfreundschaft.
Willy oder Ilse habe ich lange nicht gesehen. Ich hoffe, daß es ihm so einigermaßen gesundheitlich gut geht. Nur vom Bus aus habe ich ihn gesehen. Ich hatte so den Eindruck, daß er ganz schön wieder humpelt. Aber das kann auch von weitem eine Täuschung gewesen sein.

Es grüßt Dich herzlich
Friedel


Die Briefmarken gebe ich selbstverständlich dem Dieter.

 

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