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Brief (Transkript)

Charlotte M. aus Göttingen an Friedel H. nach Gotha am 27.01.1980

 

Göttingen, 27.1.1980

Liebe Friedel!

Vielen Dank für Deinen Brief vom 30.12.79 sowie für Deine guten Wünsche zu den Festtagen, die heute nun schon lange vorbei sind und von uns gut verbracht wurden. Auch wir hoffen sehr, daß Du angenehme Feiertage hattest, gesund und munter auf den Frühling wartest. In der vergangenen Nacht hat es geschneit, die Sonne scheint jedoch – wie könnte es anders sein – „Kaisers Geburtstag“ und der Geburtstag unserer Mutter! Nachher wird es also einen langen Spaziergang im Schnee im Geismarer Wald geben – ich freue mich darauf. Wunderbare Musik ist zur Zeit im Radio, draussen hüpfen die Amseln in den Tannen die ich in den Blumenkästen gesteckt habe und suchen Futter, das ich reichlich gestreut habe.
Der Reihe nach möchte ich nun auf die verschiedenen Punkte in Deinem Brief eingehen.
Es ist in der Tat erstaunlich, daß Du immer noch so fleissig strickst und ich hoffe, daß Du keinen ernsten Schaden an Deiner Gesundheit nimmst und womöglich eine Sehnenscheideentzündung bekommst. Mach’ es langsam – man ist ja nicht mehr 20!

Ich bin beruhigt, daß die verschiedenen Päckchen eingegangen sind und auch Freude gemacht haben. Von Günter erhielt ich die Nachricht, daß die Schallplatten eingegangen sind und die Bettwäsche, Spannbetttücher. Ganz kurz noch einmal die Aufstellung, was ich geschickt habe: 2 Schallplatten, 1 bunter Bettbezug mit Kopfkissen, 2 Spannbett-Tücher, 2 Bettbezüge (Damast) u. 2 Kopfkissenbezüge (Damast).
Vom Briefwechsel mit Dir und Tante Johanna weiß ich. Vielen Dank nun auch von mir für alle Mühe.

Inzwischen habe ich hier ein bisschen aufgeräumt und ein Paket mit noch evtl. zu verwertenden Sachen an Dich abgeschickt die Du hoffentlich erhalten hast.

Einen Teil des Geldes was zu Lebzeiten von Mama auf Willis Konto für mich reserviert wurde, habe ich nach meinem Ermessen verteilen lassen von Willi. U.a. habe ich auch für die Urenkel Joachim und Michael zur Buchanschaffung für das Studium etwas überweisen lassen. Bitte sei so gut und freue Dich, wie die anderen, darüber – weiter nichts! Es wird sicher nur einmalig sein. Ich wüßte nicht, was ich dort kaufen soll für mich, man entwickelt so im Laufe der Jahre einen anderen Geschmack.

Ich bedauere weiterhin, daß Du noch immer mit dem Verhalten unserer Mutter, in den letzten Jahren besonders, haderst. Ich bin der Meinung, dass Mama, solange sie physisch und psychisch in der Lage dazu gewesen ist, Gutes an der Familie getan hat. Versuche zu verzeihen im Nachhinein – ich weiß selbst zu genau, wieviel menschlicher Reife das bedarf. Doch nur so findet man seinen inneren Frieden. Das Gute und das Böse aufzurechnen, das, aus welchen Ursachen auch immer, geschehen ist, sollten wir versuchen zu bedenken, doch nicht zu richten.

Schön, daß es Dir möglich ist, Dich um Onkel Egon zu kümmern. Ich wünsche ihm, daß er gesund im Alter ist und noch seinen kleinen Hobbies nachgehen kann.

Wegen Zeitmangel bin ich noch nicht dazugekommen, im Wohnstift nach den Handarbeiten zu fragen. Es sind aber gewiß viel Wollarbeiten gewesen, Stickereien. Häkelarbeiten, Holzschnitzereien, Blumen aus Krepp-Papier, Malereien für Glückwunschkarten z.B., Ich werde sammeln und Dir eine kleine Auswahl an Tips zusenden. Es ist nicht auf Bijou ausgerichtet gewesen. Das Talente – wenn auch einmalig – schlummern, das glaube ich gewiß. Man sollte sie wecken!

Von dem Bilderdiebstahl haben wir hier nichts gehört. Hat man die Täter gefunden inzwischen?

Mit gleicher Post sende ich Dir unseren Bericht von unserer Dresden-Reise, die Dich hoffentlich interessiert. Unsere Gotha-Erfurt-Weimar-Reise vom Juli ist in Arbeit, er folgt baldigst. Dann wollen wir noch unsere Reise nach Südtirol schriftlich festhalten. Wir durften soviel Schönes gemeinsam erleben, das wollen wir nicht vergessen. Auch sieht man alles mit anderen Augen, wenn Erlebnisse überarbeitet werden. Das Kulturelle und Landschaftliche sieht Herr B. oft mit ganz anderen Voraussetzungen, es kommt mir dann im Gespräch zugute.

Sonst geht alles seinen Gang. In der Bibliothek habe ich sehr viel Arbeit, die mir aber viel Freude macht. Durch meine Selbständigkeit kann ich mein Organisationstalent und meine Kreativität voll entwickeln und eigentlich kann ich auch sagen, daß mir meine „Hilfen“ mitdenkend zur Seite stehen. Meine Kollegin von der Dissertationsstelle beendet ihre Tätigkeit Ende des Jahres und geht in den vorgezogenen Ruhestand. Das gibt neue Probleme und ich will hoffen, daß sich, wie mein Direktor zusagte, Junges sich dort bewähren soll. Meinen Jahresbericht habe ich abgeliefert, er enthielt gestrafft ein sehr kompliziertes Arbeitspensum, das ich eigentlich nur schaffen konnte und so gut „über die Bühne“ brachte, weil ich die richtige Einstellung zur Arbeit habe und mich durch Murren nicht behindern ließ. Wie zu allem, gehört auch zur Arbeit eine positive Einstellung, sonst schadet man sich sehr. Und ein paar Jährchen muß ich ja noch schaffen…
Gesundheitlich geht es mir gut, Anfänge von Grippe wurden mit Vitaminen erfolgreich „bekämpft“.
Am vorigen Sonntag hörten wir ein abendliches Orgelkonzert. Am Mittwoch besuchten wir einen Vortrag der Deutsch-Polnischen gesellschaft der gut besucht war. Im Theater sahen von Lessing: Der junge Gelehrte. Nun brauche ich Zeit um meine Lohnsteuer zu bearbeiten.
Morgen beginnt der Winterschlussverkauf, da will ich mal „shopping gehen“. Die und jenes fehlt schon mal, z.B. Küchenhandtücher könnte ich gebrauchen. Es gibt viel günstige Angebote.

Mein „MAX“ macht mir hin und wieder Ärger, hoffentlich hält er noch ein bisschen, im April muß ich wieder zum Technischen Überwachungsverein mit ihm.

Alles Gute und Gesundheit wünscht mit herzlichen Grüssen

und Herr B.

 

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