Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Franz Siebeler an seine Eltern am 18.4.1941 (3.2002.1285)

 

Jugoslawien, den 18.4.41.



Ihr Lieben Alle!

Aus unserer vorläufigen Unterkunft in einem Flecken kurz vor Serajewo sende ich Euch die allerherzlichsten Grüße. Diese Nacht kam die Sondermeldung durchs Radio, dass die letzten Reste der geschlagenen Armee die Waffen gestreckt haben. Demnach wäre also dieser Feldzug zu Ende. Ich schrieb ja bereits im letzten Briefe, dass dieser Krieg nicht mehr lange dauern würde. An der Moral und Einstellung der Gefangenen bzw. Freigelassenen konnte man sehen, dass für den Krieg nicht die geringste Lust vorhanden war. Und dies nicht allein. Auch was Waffen und Ausrüstung anbetrifft, waren wir turmhoch überlegen. Uns gegenüber z.B. standen bespannte feindl. Kräfte. Da die Pferde nicht ausreichten, bezw. sich für das Gebirge nicht eigneten, waren viele Fahrzeuge mit Ochsen bespannt. Da stellt Euch vor: solche Haufen schaffen am Tag höchstens 30 km, was dagegen unsere motorisierten Einheiten. Die Panzer hätten die ganze Konsorte über den Haufen gefahren. Zu ihrem Glück haben sie es auf den Kampf nicht erst ankommen lassen. Von Agram bis Serajewo sind es eine stattliche Anzahl von km, und wir haben auch einige Tage dazu gebraucht. Nun liegen wir hier und bringen Fahrzeuge und Waffen in Ordnung, falls es doch weitergehen sollte. Alle beseelt ferner der Wunsch, einige Wochen als Besatzung an die Adria zu kommen. Dass ich dazu auch nicht „nein“ sagen würde, lässt sich wohl denken. Aber warten wir ab. Wenn wir in die Heimat, möglichst nach Mitteldeutschland zurücktransportiert würden, so wäre dagegen natürlich auch nichts einzuwenden. Aber auf die Dauer macht das Leben unter diesen wenig mit Kultur beleckten Völkern auch keinen Spass. Wir liegen seit zwei Tagen (morgens marschierten wir in Serajewo ein) hier in einem Hotel in Quartier. Nun stellt Euch darunter nur kein Gebäude deutschen Ausmasses vor. Der Bau ist ganz stattlich und auch ziemlich sauber, aber Inneneinrichtung ist nur wenig vorhanden. Unsere Ruhestätten sind Feldbetten, jedoch ohne Matratzen. Wir schlafen direkt auf dem Drahtgestell. Aber man kann doch dabei die Beine strecken, was bei den vorhergegangenen Übernachtungen im Wagen nicht möglich war. Die Bevölkerung besteht zum großen Teil aus Mohammedanern, die nicht gerade Vertrauen erweckend aussehen. Und diese Elemente haben hier Polizeigewalt. Viel können sie ja damit nicht anfangen. Es bestimmt die Wehrmacht. Aber mit einem Schießprügel über der Schulter und einer Armbinde, neuerdings mit Hakenkreuz, rennen die Brüder umher. Da brauchen sie nur noch rufen „Wir wollen heim ins Reich“. Aber mit den Vagabunden läßt sich bestimmt nichts anfangen. Ich möchte gern wissen, womit die ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich glaube mit Stehlen. Morgens bis abends lungern sie in den Strassen umher, entsetzlich zerlumpt. Oder sie sitzen vor einer schmierigen Kaffeestube und schlürfen ihren Mokka. Der schmeckt übrigens ganz gut, wie wir gemerkt haben. Ausgegeben wird er in einem kleinen Kupferbehälter mit langem Griff, der zwei Tassen Mokka enthält. Die Tassen sind aber nur so gross wie die in Mathildchens Puppenstuben. Aber der Spass kostet auch nur 15 Pf. Sonst gibt es hier nichts zu kaufen. Ich hatte auf Bohnenkaffee spekuliert. Ich glaube aber kaum, dass sich da etwas machen lässt. In den Läden gibt es nur Gebrauchsgegenstände und Kornfranck, Sidol, Persil u.a. mehr. Da seht Ihr, wo überall deutsche Erzeugnisse zu haben sind. Und wenn es wirklich irgendwo was geben würde, dann fehlten wieder die Moneten. Das ist ein leidiges Elend! Man darf in punkto Wirtschaft Jugoslawien nicht mit Deutschland vergleichen. Was wirklich an Stoffen für billiges Geld in den Kramläden verkauft wird, lohnt sich nicht zu kaufen, da es viel zu minderwertig ist. – Bald hätte ich jedoch das Wichtigste vergessen. Lieber Papa! Zu Deinem 54. Wiegenfeste sende ich Dir die allerbesten Glückwünsche. Leider kann ich ja in diesem Jahre nicht dabei sein, aber hoffentlich wird es nicht mehr zu lange dauern, dass man zu Hause wieder einmal ein Stelldichein gibt. Für die Feierlichkeiten wünsche ich den allerbesten Verlauf und wenn Ihr anstosst, dann denkt an Euren Jungen, der in dieser Stunde fern der Heimat irgendwo auf dem Balkan sitzt. (Und vielleicht Mokka trinkt, Ihr dagegen […]brühe!) Aber ich will nicht hetzen! Die Osterpäckchen sind noch immer nicht eingetroffen. In den drei Wochen, die wir nun bald unterwegs sind, haben wir erst zweimal Post bekommen. Die Zeitungen habe ich erhalten. Konnte man wenigstens sehen, was im alten Nordhausen passiert ist. Im grossen Ganzen scheint es aber beim alten geblieben zu sein. Wie habt Ihr die Feiertage verlebt? Sicherlich besser als ich. Wie war das Wetter? Hoffentlich kein Ostern mit Schnee? Wenn ich zum Fenster rausschaue, dann erinnert das Gebirge stark an den Harz. Die Häuschen stehen hoch oben an den Wiesenrainen, genau wie die Gegend von Hohegeiss. Nun will ich schließen, denn für heute habe ich ausgequatscht. Also denn alles Gute! Grüsst die Hausbewohner und alle Bekannten, besonders, Herrn Dechant, Herrn Kaplan, Bideaus und Winters.

Tausend Grüsse und Küsse
Franz

 

top