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Brief (Transkript)

Franz Siebeler an seine Eltern am 2.7.1941 (3.2002.1285)

 

Im Feindesland, 2.7.41.



Ihr Lieben Alle!

Für Euren Brief v. 16.6. sowie die Zeitungen danke ich Euch herzlichst. Post ist in diesem Krieg die einzige freudige Abwechslung. Der Krieg gegen die Sowjets ist hart und grausam, Pardon wird nicht gegeben. Wir liegen kurz vor der alten russisch-polnischen Grenze. Die Roten sind ein fanatischer Gegner, die nur schrittweise zurückgehen. Oft lassen sie sich lieber abschießen, als sich zu ergeben. Wir kommen nur langsam vorwärts, da wir den Elitetruppen der roten Armee gegenüberstehen. Auch auf unsere Seite gibt es empfindliche Verluste. Viele frische Soldatengräber ziehen sich auf unserer Vormarschstrasse hin. In Luck haben die Roten in ihrem Parteihause vier notgelandete Flieger unter den viehischsten Qualen ermordet. Wer es nicht gesehen hat glaubt es nicht. Z.T. die Augen ausgestochen, Beine und Hände abgehackt, ferner mit glühenden Eisen an vielen Stellen verbrannt. Die Tränen kamen mir vor Wut in die Augen. Willi Schwabe habe ich in dieser brennenden Stadt auch getroffen. Schlafen kann man täglich nur sehr wenig, die Lage lässt es kaum zu. Man glaubt kaum, wie sich die Roten in dieser kurzen Zeit im alten polnischen Gebiet festgesetzt haben. Alle hervorragenden Häuser hier sind Parteibüros, komfortabel eingerichtet. Die Häuser der Bevölkerung sind dagegen Hütten. Das nennt sich dann Proletariat! Im grossen Ganzen ist der Krieg eine böse Sache. Wir graben uns täglich Deckungslöcher. Die russische Artillerie schiesst planmässig das Gelände ab und ab und zu kommen auch die Flieger. Da schicke ich immer ein Stossgebet zum lieben Gott! In unserer Protzenstellung schlug gestern eine schwere Fliegerbombe 2 m neben einem unserer Pkws ein, drückte ihn gegen den Gartenzaun und schlug die Scheibe entzwei. Weiter passierte nichts! Der Wagen ist ein Pechwagen und ich bin froh, nicht mehr in ihm fahren zu brauchen. Bei der ersten Nachtfahrt auf Feindboden sausten wir auf einen Lastwagen auf und zerschmissen das Vorderteil. Ein Glück, dass ich den Stahlhelm auf der Platte hatte, sonst hätte ich eine schöne Beule bekommen. Da hier einer unserer Fernsprecher sich den Arm gebrochen hat, vertrete ich ihn. Bin dadurch immer ganz vorn. Gestern schoss ein deutscher Jäger von 5 feindl. Bombern 3 ab. Auch die Flak holte einige runter. An der Vormarschstrasse stehen eine Menge vernichteter Feindpanzer, z.T. schwersten Kalibers. Nun genug vom Krieg! Hoffentlich ist der Zauber bald vorbei. – Sind die kleinen nach Rügen gefahren oder fiel die Fahrt aus. In der Gauzeitung habe ich den Bericht über Onkels Jubiläum gelesen. Kaiser soll sich erschossen haben, wie mir ein Kamerad aus Pössneck berichtete. „Die Katze lässt das mausen nicht!“ Von Onkel Seppel habe ich ein Päckchen bekommen. Werde mich noch heute bedanken. Schade, dass Harms ausziehen. Vom Südostfeldzug schicke ich noch einige Bilder. Für heute will ich schliessen. Denkt an mich im Gebet.
Es grüsst tausendmal
Euer Junge.

 

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