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Brief (Transkript)

Franz Siebeler an seine Eltern am 20.6.1941 (3.2002.1285)

 

Im Osten, 20.6.41.



Ihr Lieben!

Aus weiter Ferne sende ich Euch für heute die besten Grüsse. Es geht mir gut, wenn nur die Mücken nicht wären. Ich bin wie alle anderen vollkommen zerstochen und Nachts ist es im Zelt kaum auszuhalten. Im übrigen ist das Lagerleben ganz prima. Solange das schöne Wetter bleibt, braucht man ja nichts zu befürchten. Es darf nur nicht regnen, da wird es im Zelte ungemütlich. Die Fahrt hierher war ganz in Ordnung. Vom Kriege sind oft noch Spuren zu finden. Juden laufen hier in Massen herum, die meisten sind reinsten galizischen Typus. Alle haben weiße Armbinden mit blauem Stern. Die Häuser sind im elendsten Zustande, so ähnlich wie in Bosnien. Man glaubt kaum, wie Menschen darin hausen können. Die Strassen sind in furchtbarem Zustande. Richtig Polnisch! Es ist direkt halsbrecherisch sie zu befahren. Ich mache augenblicklich mit meinem Krad kleine Spritzfahrten durch diese schöne Gegend. Man muss höllisch aufpassen, um nicht im Sande steckenzubleiben, bezw. im Moor zu versacken. Ich bin stark gespannt, was wir hier sollen. Falls irgendetwas geschehen sollte, dann stehen wir an entscheidender Stelle. Man weiss nicht recht, was überhaupt los ist. Gemunkelt wird auf jeden Fall sehr viel. Zu kaufen gibt es gar nichts. Die Polskis haben selber nichts zu essen. Da kann man wenigstens die Moneten sparen. Rauchen tun wir aber viel, um die Mücken zu vertreiben. Man weiss sich ihrer sonst kaum zu erwehren. Meinen Foto haben ich bereits eingeweiht. Hoffentlich werden die Bilder nicht allzu schlecht. Unsere Verpflegung ist gut. Sollte es so bleiben, dann ist zu klagen kein Anlass vorhanden. Nur Wasser fehlt. Waschen können wir uns nur nach Katzenart. Euren lieben Brief v. 10.6. habe ich kurz vor der Abfahrt noch erhalten. Ich habe mich sehr darüber gefreut. An Onkel Seppel schreibe ich sobald als möglich. Zu Pfingsten habe ich Ihnen einen Kartengruss gesandt. Papa hat als Kirchenvorstandsmitglied nun einen weiteren verantwortungsvollen Posten. Ich wünsche Dir, lieber Papa, für diese schwere Aufgabe alles Gute. Der Herrgott möge bei allen schweren Entschlüssen Dir zur Seite stehen! – Wer ist denn ausgeschieden, weil Du doch bisher nur als Stellvertreter eingesetzt warst? Ist das Fronleichnamsfest gut verlaufen? Oder haben die lieben Nachbarn ihren Gefühlen wieder keinen Zwang antun können? – Für heute muss ich wegen der knappen Zeit schliessen. Die Mittagszeit ist bald wieder um. Ich wünsche Euch weiterhin alles Gute und bitte um Euer Gebet.

Tausend Grüsse und Küsse
Euer Franz.

 

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