Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Franz Siebeler an seine Eltern am 12.1.1941 (3.2002.1285)

 

12.1.41.


Ihr Lieben Alle!

Ihr werdet Euch sicherlich wundern, diesen Brief durch die Post, d.h. mit Marke, zu erhalten. Ich will Euch nur einmal mitteilen, wo ich überhaupt stecke. eigentlich dürft Ihr es ja nicht wissen, aber Mutti ist doch bestimmt beruhigt, wenn sie weiss, wo ich stecke. Deshalb erhaltet Ihr den Brief nicht durch die Feldpost. Da ist es sicherer. Also ich sitze hier bei meinen lieben Quartierleuten am Schreibtisch und teile Euch alle Neuigkeiten mit. Ich liege hier in Weinböhla / Sa. im Privatquartier. Der Ort ist rd. 10.000 Einwohner gross und sehr sauber. Die Karte zeigt den Ort. Um den Ort herum liegen viele Weinberge. Ich wusste noch gar nicht, dass hier noch Wein wächst. Er schmeckt aber ganz gut. Das habe ich heut in Meissen mit meinem Pflegpapa ausprobiert. Wir beiden sind mit dem Omnibus heute Nachmittag dort. Der Heini war nicht mit, weil er Wache bis morgen Mittag hat. Das ist nun mal Pech. Ich war froh, dass ich schon früher diesen Spass hatte. Meissen ist eine wunderbare alte Stadt. Als alter Geschichtsforscher habe ich den herrlichen Dom besichtigt. Er ist prima erhalten. Schade, dass dieses schöne Bauwerk nicht uns Katholiken geblieben ist. Viel Gläubige scheinen sich nicht dort einzufinden. Wegen der Kälte ist jetzt Gottesdienst in der Sakristei. Und 30 Stühle schienen für alle Gläubigen zu reichen. Ich glaube, dass wir Katholiken doch mehr auf die Beine bringen würden. Die Postkarte zeigt die herrliche Lage des Domes und der Albrechtsburg. Auch um Meissen ist an allen Hängen der Wein zu Hause. Daher sind auch dort viele Weinstuben zu finden. In einer historischen Weinstube, genannt „die Räuberhöhle“, haben wir den roten Elbwein ausprobiert. Die Gaststätte war ganz fabelhaft, innen ausgestattet mit alten Waffen und Rüstungen. Zum Schluss haben wir noch Kaffee getrunken.
Nächsten Sonntag werden wir uns Dresden ansehen. Es sind nur bis dahin 19 km, die man in der Strassenbahn fahren kann. Man munkelt so allgemein, dass wir am 20.1. nach Prag oder Posen kommen. Hoffentlich bleiben wir doch noch länger. Hier ist’s wunderbar. Frau Graf sagt, ich sollte schreiben, dass Ihr Euch keine Sorgen zu machen braucht. Ich habe es wirklich sehr gut. Gestern Abend haben wir im Badezimmer prima gebadet. Überhaupt sind Grafs prima eingerichtet. Herr Graf ist ja Bahnhofsvorstand. Wenn wir noch länger bleiben, werde ich Erich S. mal in Riesa besuchen. Das ist nur 1 Std. Bahnfahrt. Sonst wüsste ich nichts Neues. Macht bitte von meinen Mitteilungen betr. Ort usw. keinen Gebrauch.Für heute grüsst und küsst Euch alle herzlichst Euer
Franz

Schickt bitte die Sachen nicht! Erst mal abwarten

 

top