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Brief (Transkript)

Walter Neuser an seine Eltern am 6.2.1942 (3.2002.0947)

 

6.II.42



Liebe Eltern!

Den letzten Brief habe ich am 4.II. abgegeben. Heute gab es Post, unter der auch für mich so allerlei dabei war. Was ich erhalten habe, zeigt Euch der beiligende Zettel. Besten Dank für alles. Ich wollte schon längst schreiben, aber ich komme ja nicht recht dazu. Außerdem kann ich die Post ja auch nicht immer so loswerden, wie man das gerne sieht und haben möchte. Zuerst möchte ich nun mal auf die Eingänge eingehen. Das Kreisblatt v. 5.XI. ist überholt und bringt nichts Besonderes. Gefreut habe ich mich, daß Kersts auf meinen Brief v. 24.VIII. geantwortet haben. Tante schreibt, daß Herbert die Wirtschaft verkauft hat am 15.Sept.41 und nun die gesamte Familie bei ihnen wohnt. Also müssen sie wohl schon die vorderen Räume wieder benutzen, denn wie sollen die ganzen Menschen denn in dem hinteren Bau unterkommen. So etwas gibt es ja nicht in Deutschland, daß die gesamte Familie auf den Ofen kraucht, wie das hier in Rußland so üblich ist! Von Onkel Walter traf ein Brief ein mit einem Brief von Hedwig v. 17.XII. und 1 Brief von Walter v. 27.XI.41. Damit bestätigen sie meinen Brief v. 11.VIII.41. Ich habe inzwischen aber schon wieder am 15.XI.41 u. 8.I.42 mich dorthin gemeldet. Onkel Walters Brief ist aus der Zeit, da Hedwig in der 6ten Woche im Krankenhaus in Siegen lag und somit voller Sorgen. Er hat sehr nett geschrieben. Allerdings heißt es am Schluß, daß er mir schon einige Briefe geschrieben hätte, aber keine Antwort darauf erhalten hat. An mir liegt das nicht. Was ich erhalte, wird in den Aufstellungen festgehalten und beantwortet. Das ist doch klar. Der Brief v. Hedwig ist für Weihnachten geschrieben und war ebenfalls nett zu lesen. Elisabeth hatte in ihrem mit Schreibmaschine geschriebenen Brief v. 18.XII. Tannalbin-Tabl. mitgeschickt. Die Tabletten sind wirklich gut. Mit diesem Brief kam die Bestätigung meines Briefes v. 24.XI.41 und Nachricht vom Tode H. Domitz, Bahrensdorf. Im Brf. v. 30.I. äußerte ich mich noch zur Doppelhochzeit der Geschwister, wie man es gern gesehen hätte. Das werden ja auch traurige Festtage gewesen sein für die Familie. Ich kann mich gar nicht entsinnen, daß in der bis jetzt hier eingegangenen Januarpost vom Tode H. Domitz etwas erörtert war. In Illustrierten ist ja noch so allerlei an Medikamenten unterwegs, was für mich eine große Beruhigung ist. Der Saniuffz. hat schon so mancherlei Zeug da, das aber schnell vergriffen ist. Vorrat sich bei dem besorgen geht nicht. Deshalb habe ich durch Euch eine große Hilfe und muß sagen, daß jetzt seit einem Monat meine Magenbeschwerden aufgehört haben. Ich weiß schon bald nicht mehr, wie es mir in den vorherigen Wochen ergangen ist. Leni und Elisabeth haben Taufpate gestanden bei der Magr. Fischer. Auch das ist mir eine Neuigkeit. Paket # 9 ist hier. Der Weihnachtsstollen ist halb verzehrt, ebenso fast das Stückchen Wurst von Fr. Bock. Diese Sachen konnte ich nicht liegen sehen. Ehe das über Nacht verschwindet, wird es lieber gegessen. Gelacht haben wir über Deine Zeilen: „ Zum Weihnachtsfest soll es bei dir sein; es ist mir unbegreiflich, daß es so lange laufen soll.“ Du hast gerechnet bis zum 24.XII. Heute haben wir den 6.II.42. Aber ich bin zufrieden, daß es überhaupt angekommen ist. Muttis Brief v. 4. XI. ist überholt. Man bedenke, daß ich schon Post vom 12.I. gehabt habe! Der Brief v. 17.XII.41 ist reich an Neuigkeiten. Elisabeth war also bei A. Herberg in Ffo. Frl. Blümel bestellt bitte wieder Grüße. Daß es Herrn Rettig nicht gut geht in jetziger Jahreszeit, habe ich schon immer gedacht. Der hatte in Friedenszeiten ja schon mit dem Magen zu tun und wird es jetzt in verstärktem Maße haben. Mit Hans Domitz Brief und tags darauf Todesnachricht; das muß ja furchtbar gewesen sein. Dieser Krieg ist furchtbar. Aber es geht um mehr als uns. Wir sind nun mal die Generation, die dem Reich eine glückliche Zukunft bringen soll. Damit muß sich ein Jeder abfinden. Du schreibst, es ist ein Jammer, daß die Truppe nichts hat für derartige Beschwerden. Das ist falsch. Sie hat die Mittel, aber nicht immer in den Mengen, wie sie gebraucht und verlangt werden. Bedenke die Frontlänge, in der alles den russ. Winter zu spüren bekommt. Das ist nicht so einfach, da jedem Soldaten erfolgreich helfen zu können. Der Eine ist stärker, der Andere schwächer veranlagt. Hans scheint schon so eine Marke zu sein, wenn er noch nicht mal eine gewünschte Verabredung einhält. Ich bin ja fertig. Aber das ist die typische Gleichgültigkeit. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen. Der soll mal hier herauskommen. Wer weiß, was dann für Briefe in die Heimat gehen, wenn er so richtig drin ist. Rektor Böhme hat recht mit dem Ausdruck Hexenkessel. Da hinein muß er jetzt kommen.
Nicht erst im Frühjahr, wenn man wieder im Freien schlafen kann. Die Meisten glauben ja doch nur das Wenigste. Mir ist das auch gleich. Hauptsache, ich erhalte meine Gesundheit und erlebe eine gesunde und siegreiche Heimkehr. Das ist unser aller Wunsch. Die Papptube „Adsorgan“ habe ich erst mal verpackt, da ich sie im Augenblick nicht brauche. Mir erscheint das wie ein Wunder, daß ich bei den tagtäglichen Eisbeinen von den Magenbeschwerden verschont geblieben bin. Hoffentlich bleibt es so. - Die Post wäre damit beendet. - Ich schrieb am Anfang des Briefes, daß ich nicht recht zum Schreiben käme. Ich möchte damit nun auf die letzten Tage eingehen. Am 29.I. war ich zum V-Empfg. unterwegs. Am Abend gab es Post. Am 30.I. blieb die Truppe noch im alten Quartier. Ich habe an diesem Tage an Euch u. Leni geschrieben. 3 Tage waren wir dann unterwegs vom 31.I.-2.II.42. Am 1.II. begann ich den nächsten Brief am Abend. Bei Ankunft am 2.II. im Endquartier erhielt ich Nachricht und Anweisung für den nächsten Empfang am 3.II.42. Um 6 Uhr starteten wir und kamen gestern abend wieder im Ausgangsort an. Im V-Ausgabeort habe ich dann den Brief v. 1.- 4.II. am 4.II.42 abgegeben. Meine Einheit war weitermarschiert! In der Dunkelheit mit vollem Schlitten bei verwehten Wegen auf der Suche nach dem nunmehrigen Endquartier! Gegen ½ 7 Uhr landeten wir endlich hier. Heute früh ½ 7 Uhr ab zum Hafer- und Postempfang. Um 14 Uhr traf ich wieder hier ein. Übermorgen geht es wieder hinaus. Ich war schon gefaßt auf morgen früh. Heute habe ich meine Wäsche abgegeben zum Waschen. Der Spieß kam und sagt mir, morgen hast du frei. Er fragt jedes Mal, ob ich fahren kann. Jeder Spieß hat seine Mucken; aber der hier ist bestimmt in Ordnung; besser als Arno Weber von der 3. Btr. Über den schimpfen sie nur. Aber der Leute gibt es bei uns auch. Sie sind u. bleiben die Dummen. Ich habe einen Bart; schon bald nicht mehr feierlich. Hier sagen sie, ich sei Marine-verdächtig! Aber warmes Wasser ist dann da, wenn das Rasierzeug fehlt. Genau so ist es umgekehrt. Morgen hoffe ich auf eine Gesundheitspflege, die sich gewaschen hat. Bei mir ist alles überholungsbedürftig. Es geht auf 24 Uhr. Für heute Schluß. Besten Dank für Alles und viele Grüße,

Euer Walter.


 

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