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Brief (Transkript)

Walter Neuser an seine Eltern am 25.1.1941 (3.2002.0947)

 

25.I.41



Liebe Eltern!

Den heute früh abgesandten Brief habe ich gestern abend frühzeitig abbrechen müssen. Die Zeit verging allzu schnell, daß wir uns beeilen mußten, noch rechtzeitig zu 8 Uhr ins Kino zu kommen. Es wurde der Film „Feinde“ vorgeführt, dessen Handlung uns das Treiben polnischer Banden im Jahre 39 vor Anfang des Polenkrieges vorspielt. Es lohnt sich, diesen Film anzusehen. Der Spieß hatte die Karten besorgt. Also konnte ich nach dem Kino nicht sofort mich von dem Rudel trennen. Wir zogen dann in ein kleines Lokal und hielten dort in fröhlicher Runde bis ½ 1 Uhr aus. Ich bin zwar kein großer Freund von dieser Lagentrinkerei weil man sich für dieses hierbei nötige Kleingeld manches Bessere leisten kann, aber man muß mitspinnen. Um ½ 2 Uhr waren wir hier. Bis man ins Bett kommt, ist es inzwischen ½ 3 Uhr geworden. Heute früh habe ich mich schnell aus dem Stall verdrückt und am Pferdebewegen teilgenommen von ½ 8 - ½10 Uhr. Es war noch keine halbe Stunde vergangen, waren wir auch schon durchgefroren. Gegen 9 Uhr mußte ich herunter vom Pferd, da der Magen mal wieder nicht mitmachen wollte. Auf das erstbeste Gehöft, zum Glück wohnten dort Deutsche, das Pferd an einen Laden gebunden und dann ein Abort aufgesucht, war das Werk weniger Minuten. Durch den tiefen Schnee kann man ja unmöglich den Zeitverlust und Abstand durch schnellere Gangart aufholen, will man nicht mit einem nassen Pferd den Stall erreichen. Also kam ich erst um ¾ 10 Uhr hier an, wo doch um ½ 10 Uhr schon das A-Reiten für Uffz. begonnen hatte. Daraufhin und um Plänkeleien aus dem Weg zu gehen ließ ich mich für die 2 Stunden bis zum Mittag zum Dienstschluß vom Dienst befreien. Erste Hilfe ist ja nun mal Wärme und Ruhe. Ich habe mich dann in mein Himmelbett gelegt und gepennt. Das Mittagessen ließ ich mir auf Stube bringen und habe diese erst heute nachmittag gegen 4 Uhr verlassen zum Verpflegungsempfang beim O.Zahlmeister in Wein und Schokolade. Also gibt es dann bald wieder etwas zu kaufen. So oft und gerne man mich auf zu ziehen versucht, so oft muß ich einspringen, wenn es etwas Besonderes gibt. Bei mir ist das eigenartig, wenn ich mächtig friere oder nasse Füße habe, streikt der Magen. Ich glaube, daß das viel mit der Verpflegung zu tun hat, trotzdem sie eigentlich ganz gut ist, wie aber auch auf den rastlosen Dienstbetrieb von morgens bis abends, der einem nicht die nötige Ruhe gönnt. Heute nachmittag erhielt ich an Post die Kreisblätter v. 20. - 24.I., Bln. Ill. u. V.B. und Euer Päckchen v. 18. d. Mts. Besten Dank für die Zigaretten, Bonbons, Pfefferkuchen, Zwieback u. Streußelkuchen. Unser Rechtsanwalt auf der Stube liegt im Bett und kuriert sich seine Erkältung aus. Vier Pillen einer Chinin-Verbindung (rote Perlen) hat er schon verdrückt und schwitzt wie ein Bulle. Ich habe ihn noch gewarnt, denn morgen ist er ja schlapp wie nie zuvor. Ich lege dem Brief 6 Bilder, drei Gutscheine und eine Zollkarte bei und bitte um Erledigung derselben. Außerdem habe ich zuletzt noch einen dringenden Wunsch an Papa, indem ich ihn bitten möchte mir meinen Lebenslauf zu schreiben, da mir hier Unterlagen fehlen und die vielen Daten entgangen sind. Wenn ich diesen benötigen sollte, brauche ich wenigstens nicht mit halber Arbeit aufzuwarten. Ich bitte diese Angelegenheit als äußerst dringend anzusehen, da sie für mich von großem Vorteil sein kann. Nun Schluß und viele Grüße,

Euer Walter.

 

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