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Brief (Transkript)

Walter Neuser an seine Eltern am 1.8.1940 (3.2002.0947)

 

1.VIII.40



Liebe Mutti!

Gestern mittag habe ich den Feldpostbrief für Euch eingesteckt. Zum Schreiben bin ich nicht mehr gekommen. Der gestrige Tag begann damit, daß wir erst mal um ¾ 7 Uhr erst aufwachten und zum Fußdienst von 7 - 8 Uhr spritzten. Von 9 - 12 Uhr folgte dann eine kleine Übung für uns Nachrichtenleute. Da es ziemlich heiß war, haben wir entsprechend geschwitzt, denn die Höhen sind ja auch nicht ganz ohne. Ab 14 Uhr stieg dann zum ersten Mal seit Scheidchen eine Stunde Sport, in der wir Handball und Fußball gespielt haben. Anschließend folgte noch eine Stunde Gesang, die ich aber nicht mitmachen brauchte. Die Zeit bis zum Antreten um ¾ 6 Uhr habe ich benutzt, meine Wäsche zu holen und verschiedene Sachen umzutauschen. Nach dem Antreten gab es anschließend Löhnung. Frontzulage gibt es ja nicht mehr, wie ebenfalls auch kein Besatzungsgeld, da wir bis jetzt noch nicht zur Besatzungstruppe gehören. Von ½ 7 - ½ 8 Uhr spielte die Regt.Kapelle mit 4 Fanfaren. Das ist die Kapelle, die damals von Mussolini nach Rom eingeladen war. Die Franzosen wie auch wir haben Mund und Nase aufgesperrt. Um 8 Uhr waren wir zum Abendbrot bestellt. Es gab ein Huhn, gekocht nach frz. Küche, aber ganz groß. Unsere Madame ist fast unübertrefflich in ihren Einfällen. Gegen ½ 9 Uhr erhielt ich Deine Karte vom 27. und das Krs.blatt v. 27./28; einen Brief von Walter Sauer und ein Päckchen von Frl. Wilde mit 50 Rasierklingen und 2 Schachteln Zigaretten R 6 à 10 Stück. Den Brief hebe ich auf; restlos Alles dran! Frl. Wilde wünscht, daß ich Dir den Empfang bestätige. Gib diese Nachricht bitte weiter an Frl. Wilde, dazu meinen herzlichsten Dank. - Zum Schreiben bin ich nicht mehr gekommen, da ich am Abend zur Schreibstube mußte. Am Vormittag bei der Übung gingen plötzlich die Pferde durch. Schuld daran waren die Waldfliegen und Bremsen (Pferdefliege). Nun, ein Fahrzeug mit 4 Pferden anhalten, ist ja gerade keine Kleinigkeit, aber wir schafften es dadurch, daß wir sie auf eine Koppel treiben konnten. Als sie sich ausgetobt hatten, war die Deichsel in Stücke. Ich hatte auf ein großes Lamento am Abend gewartet, aber es ging in Ruhe ab. Wir sind dann noch bis ¼ 12 Uhr im Dorf geblieben, um die Urlauber zu verabschieden und lagen um ½ 12 Uhr im Bett. Heute haben wir wieder einen heißen Tag. Ich bin um ¾ 6 Uhr aufgestanden. Heute vormittag ist Arbeitsdienst, da am Nachmittag um 16 Uhr Pferdeappell durch den Div. Veterinär abgehalten wird. Damit ich es nicht vergesse, besorgt mir bitte ein paar Hosenträger. Ich muß damit rechnen, daß mir meine eines Tages kaputt gehen; sie sind verbraucht, von Gummizug nichts mehr zu spüren. Wenn Ihr sie schicken sollt, werde ich schreiben. Vorläufig kann ich sie hier noch nicht gebrauchen. Leni war also Sonntag zu Hause. Mein Brief für sie wird ja gewiß erst morgen oder übermorgen in Bln. eintreffen. Papa scheint Deinem Schreiben nach viel unterwegs zu sein. Ich habe das in Lenis Brief schon erwähnt, daß es mir neu war, daß Elisabeth ihren Urlaub in Kolberg verbracht hat. Sehr gefreut habe ich mich über Postkarte mit unserem Haus und Brücke. Walters Brief ist vom 13.VII.40. Da ist er wohl eigentlich ein bißchen lange gelaufen. Er schreibt, die Wd’steiner halten ihn über mich auf dem Laufenden, aber er möchte doch mal persönlich etwas von mir hören. Seine Kompanie hat auch diverse Tote und Verwundete. Am 14.VII. sind sie zur zweitätigen Erholung nach Bordeaux gefahren und wollten dann von dort aus ans Meer zum Baden. Die rechnen als Besatzungstruppe. Nun komme ich noch mal auf Deinen Brief v. 26.VII. zu sprechen. Zuerst wegen Willi Anders. Es heißt, daß so langsam die alten Jahrgänge entlassen werden. Aber wann, das weiß niemand. Was Du befürchtest wegen Geschäft, war auch mein Gedanke. Herr Berndt ist in Luckenwalde; wie kommt er denn dahin? Kartoffeln und Gemüse aller Art hat sie im Garten, daher ist das also schon mal möglich. Neulich haben wir schon mal Kartoffeln gekauft; weil die im Garten angebauten doch nur für ihren eigenen Lebensbedarf vorgesehen waren. Größtenteils sind es Frühjahrskartoffel, die wir essen. Von Weinbau ist hier nichts zu sehen, wohl aber bei Bésancon und im Cote d’or. Natürlich leben viele Menschen davon, aber Arbeit macht das auch genug. Von wegen, sie brauchen nicht zu arbeiten. Das ist es ja gerade, sie sind zu faul. Das Land ist ungeheuer wertvoll, aber statt nun den Boden auszunutzen, liegt ungeheuer viel Land unbewirtschaftet da. Es ist gar nicht möglich, darauf ausführlicher einzugehen; das würde Bände geben, wollte ich die ganzen Mängel und Mißstände aufschreiben. Der Franzose ist faul und dreckig, das war unser ganzer Eindruck von Belgien angefangen bis hier unten. So und nun will ich schließen. Die Mittagsstunde ist herum; jetzt soll noch der Brief in den Kasten, damit das Auto ihn nachher mitnimmt. Ich wünsche Euch nun alles Gute, besten Dank und denkt an Alles, viele Grüße

Euer Walter.

 

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