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Brief (Transkript)

Walter Neuser an seine Eltern am 3.7.1941 (3.2002.0947)

 

3.VII.41



Liebe Eltern!

Zuerst das, was mir gerade einfällt. Ist das Geld von Bln. eingegangen? Was macht die 2. Uhr und habt Ihr sie schon zurück aus der Reparatur? Von Onkel Alfred habe ich am 18. ein Päckchen erhalten. Von der Krsspk. am 16.VI. ein Päckchen mit 18 Zigaretten. Dankt bitte dorthin. Heute habe ich 100.- an Pschkto. 14486 Bln. für Cto. 742 abgesandt. Es war meine Barschaft an poln. Geld. Wir sind da heraus und arbeiten wieder mit dem Geld, das wir auch in Frkr. hatten. Dieses Euch zur besonderen Kenntnis. Ich schicke dann noch einen Postabschnitt betr. Illus.-I.B. und die Todesanzeige von H. Scheibel mit. Hebt das bitte auf. Die Illus.Rolle habe ich erhalten. Ich kann auf die Post nicht mehr so ausführlich eingehen. Ihr erseht das ja alles aus der Aufstellung, die bald eingehen wird. Joachim fragt nach mir. Ich habe ihm am 23.IV. geschrieben und warte seitdem auf seine Antwort. Die Adresse habe ich mir notiert. Die Angelegenheit Neumann wird jetzt gewiß schon der Vergangenheit angehören. Hoffentlich hat Winde Ersatz bekommen und wird Superintendant. Zu gönnen wäre es ihm wirklich. Die Photobilder sind eingegangen; besten Dank dafür. Elisabeth Bock wird ja hoffentlich inzwischen auch das Krkhas. verlassen haben können. Frau Bock muß aber auch so mancherlei erleben. Zur Ruhe kommt die doch auch nicht recht. Die Witterungsverhältnisse sind die denkbar besten. Manches Mal wird einem die Hitze zu mächtig. Jedenfalls ist sie aber besser als Regen und Kälte. Die scheint oft ins Krkhs. zu gehen. Der Kuchen schmeckte ganz groß. Ich glaube ich habe Dorle Beinlich’s Mann vorgestern auf dem Marsch gesehen. Es war um ¼ 4 Uhr auf einem Dammweg, der durch sumpfige Niederung gebaut ist. Er saß auf dem Motorrad und trug die Verkehrsreglerarmbinde (Ltn.Rang). Ich war zu faul, sonst hätte ich ihn gefragt, ob er es sei. Farbe gelb, also Aufklärgsabt. Seid vorsichtig bei der Erörterung, sonst blamiert man sich noch, wenn ich mich geirrt haben sollte. Im tagtäglichen Feldgrau sieht man anders aus als im Galaanzug. Stachelbeeren eingemacht lese ich da. Na, wir wollen mal abwarten. Nach einem Monat sieht es schon anders aus, die Sondermeldungen sind ja ganz saftig. Papa scheint viel unterwegs zu sein. Der soll sich mal nicht so abjagen und lieber mal Mutti mit zu Mutter Grün nehmen. Wir knallen uns hin wo wir sind und schlafen, vorausgesetzt, daß einigermaßen Ruhe herrscht und die Böcke uns zufrieden lassen. Berndts waren zu Besuch bei Euch. Wo steckt der denn eigentlich. Wir sind auf dem Wege nach Moskau, wollen Stalin besuchen und ihn mal fragen, wie er sich das so denkt mit dem Vertragsbruch. Allerdings sind das ja noch so allerlei km bis dorthin, aber im Westen haben wir diese Entfernungen auch gemeistert. Wie es scheint kommen auch die vielen anderen Staaten zur Einsicht und wollen nun alle helfen so schnell wie möglich diesem Krieg ein Ende zu bereiten. Ich glaube, Amerika überlegt es sich noch gegen uns zu gehen. Die Beutestücke hier oben bei uns müßtet Ihr mal sehen. 42 To-Tanks, Geschütze aller Art, ungebraucht und der viele Kleinkram. Der Russe türmt. Panzerschlachten scheinen an der Tagesordnung zu sein. Aber er kann nichts bestellen. Im Kleinkrieg, Heckenschütze, usw. ist er sehr gefährlich. Natürlich sind wir sehr auf der Hut. Sie zeigen weiße Lappen, man geht heran, dann schießen sie. Mancher Soldat hat auf diese Art schon hier sein Leben verloren. Pardon wird kaum noch gegeben. Heute früh haben wir wieder einen aufgespürt. Aussehen eines Soldaten haben die wenigsten. Zerlumpt oder verwahrlost kommen sie an. Der hatte noch 2 Eierhandgranaten in den Hosentaschen. Das Leben war verwirkt. Ich selbst habe am 29.VI. 5 Russen abgeliefert. Ein Bauer hatte sie uns verraten. Die guckten aber wirklich dumm aus der Wäsche, als wir sie in einer Scheune überraschten. Ich hatte sie 15 km bei dem Fahrzeug und mußten schieben. Dann habe ich sie an eine Sammelstelle abgegeben. Es muß ein tolles Gefühl sein mit dem, was man auf dem Leibe hat, ins Ungewisse ziehen zu müssen. - Paul hatte im Juni Geburtstag; ich wußte das nicht. Ihr werdet ja gewiß gratuliert haben. Spargel hast Du eingeweckt also. Ich schreibe eine tolle Schrift hier. Die ist aber den Umständen entsprechend. Einquartierung ziviler sowie milit. Art scheint Ihr ja andauernd zu haben. Man könnte sagen, das vertreibt die Langeweile. Die Konservenbüchse enthielt Fisch, flüssig. Ich nehme an, daß es mal fester Inhalt war. Schmeckte aber ausgezeichnet. An den beiden Päckchen war ja überhaupt alles dran. Es war noch alles in tadelloser Ordnung. Der Kuchen war wie üblich schnell vergriffen. Schokoladenpulver und Vanille müssen zurückgelegt werden. Im Augenblick habe ich keine Möglichkeit dafür. Pfefferkuchen, Tabletten und Brausepulver. Ich sage Euch, die Kameraden haben gestaunt, an was Du so alles gedacht hast. Ich bin das ja so gewöhnt von Mutti und vielleicht schon verwöhnt in dieser Beziehung. Gesund und munter bin ich noch. Sorgen hätte ich keine im Augenblick. Hoffentlich erhalten wir Post aus der Heimat. Ich rechne mit jedem 3. Tag. Die Nachschubschwierigkeiten müssen hier besonders berücksichtigt werden. Es hieß nämlich schon mal etwas von P-Sperre. Wer weiß, hoffentlich stimmt diese Parole nicht. Für heute nun Schluß. Macht Euch keine Sorgen. Sie sind bestimmt unnütz. Es kommt doch alles so, wie es kommen soll. Gegen das Schicksal kann man nicht anrennen. Meine Gedanken verweilen oft genug bei Euch. Ich kann mich Euren Wünschen nur anschließen. Für heute nun Schluß. Zum Durchlesen reicht es nicht mehr.
Alles Gute, viele Grüße und besten Dank, Euer Walter.

 

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