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Brief (Transkript)

Mutter an ihren Sohn Friedrich Rolf Nietzschmann am 15.04.1945 (3.2002.1339)

 

Halle/S. Sonntag 15.4. 1945



Mein Fritzchen!

Eben vorhin sind wir aus dem Keller gekommen, ungefähr l Std. waren wir unten, u. da Mittern. vorüber, sind wir schon in den neuen Tag, Sonntag, gekommen. Da man ja nie weiß, was kommen wird, will ich Dir nur schnell noch einen ganz besonders innigen Gruß senden u. Dir alles, alles Gute für dein ferneres Leben wünschen. Wie wird sich wohl alles gestalten? Trübe genug sieht es ja aus. Unsere Gedanken sind immer bei Dir u. möchten gar zu gerne wissen, wo Du jetzt steckst. Fast vermuten wir Dich in der Bamberger Gegend, dann denken wir wieder, daß Ihr schon mehr nach Thüringen seid. Wer weiß es. Wenn die vielen Soldaten hier vorbeikommen, sagen wir so manches mal - na, da wird doch wohl Fritz nicht dabei sein? Hier geht es jetzt wie in einem aufgeregten oder vielmehr ge¬störten Ameisenhaufen zu. Der Amerikaner steht vor Halle! Wer hätte gedacht, daß es jemals so weit kommen würde. \"Gegen des Geschickes Mächte kann niemand an\" Du wirst wohl auch einen Schrecken bekommen haben, als Halle heute genannt wurde. Geschossen wird dauernd, heute Vormittag kamen die Leute von Trotha hereingeströmt. Die Panzer seien draußen - wohl bei Morl. Und Frau Schmidt, die Nachmittag in Trotha bei ihren Eltern war erzählte, daß verschiedentlich große Löcher in den Häusern waren vom Beschuß. Den ganzen Tag ist gesprengt worden, alle Brücken. Von dem Luftdruck sind viel Fenster entzwei. Wir dachten schon, wir fliegen selbst mit weg.
Ich glaube, es wird hier kein großer Widerstand sein. Es löst sich schon allmählich auf. Viel Verwundete sind hier, so an 30.000, und da hofft man, daß es nicht so arg ein wird. Aber wie gesagt, es ist eben Hoffnung. Renate ist in den letzten Tagen fast nur einkaufen gewesen und hat stundenlang gestanden, jeder will sich vorsehen. Heute Morgen hat sie für uns beide 100 g Bohnenkaffee erstanden, im wahrsten Sinne des Wortes. Nachmittags bei Zoerners 2 Büchsen Fleischkonserven aus dem Mil. Proviantamt, gestern Nachm. Fischkonserven usw. - Jetzt pfeifen die Granaten, da will ich mich verziehen; Man muß wohl in den Keller. Für heute behüt Dich Gott, mein Fritzemann, vielleicht kann ich später weiterschreiben. Sei innigst gegrüßt u. geküßt
Mutti

Tante Deta wird sich um uns sorgen. Heute haben Bernsteins Nachricht, daß Georg am 23.3. gefallen ist. Zu traurig ist das, er war doch so fleißig und ordentlich

 

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