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Brief (Transkript)

Friedrich Rolf Nietzschmann an seine Verwandten am 09.11.1944 (3.2002.1339)

 

E.O., den 9.Nov. 1944



Meine Lieben!

Heute will ich nun Euren Brief eingehend beantworten. Zuerst möchte ich Euch gleich sogen, daß ich, wie Ihr schon gemerkt haben werdet, acht Marken für je hundert Gramm und zwei Marken für je fünfhundert Gramm mitschicke. Diese habe ich erst gestern abend bekommen und konnte sie heute erst abschicken. Hoffentlich bekommt Ihr sie noch beizeiten.
Ich wollte Euch nun den genauen Ort schreiben in dem ich jetzt bin und Euch eine Adresse für eventuelle Pakete schreiben. Dies kann ich jedoch zur Zeit noch nicht. Ich glaube aber, in ein paar Tagen habe ich eine Adresse, an die Ihr schicken könnt. Da ist uns seiner Zeit beim Ausladen auf dem nächsten Bahnhof etwas begegnet, das festgehalten werden muß. Wir fragten einen der gut Deutsch gesprochen hat, wo dieser Ort sei. Wir kannten nur den tschechischen Namen. Da sagte er: wir seien doch komisch, warum wir den Ort tschechisch nennten, wenn die Einheimischen doch den deutschen Namen sagten.
Das Wetter ist bei uns noch immer scheußlich. Hoffentlich hat es eich bei Euch etwas gebessert. Augenblicklich regnet es ja nicht, aber ein Schlamm ist noch immer. Ihr könnt es Euch ja garnicht vorstellen, wie so etwas in Wirklichkeit ist. Wenn es hier schon so ist, wie muß es da in Rußland erst gewesen sein. Die Einwohner sagen hier, jetzt käme ein Monat Regen, dann ein Monat Schnee und zu guter letzt noch ein Monat Frost. Na, ich bin ja gespannt, wie es in Wirklichkeit wird.
Vorläufig könnt Ihr noch beruhigt sein. Die Kämpfe sind noch nicht in unserer Nähe. Allerdings der Unruheherd von den Banden in der Slowakei ist in etwa 80 km Entfernung von uns gewesen. Zum großen Teil ist er ja schon niedergeschlagen. Nur einige kleine Gruppen denken, sie können noch hinter der Front Unruhe stiften. Da haben sie eich aber sehr schwer getäuscht, Wir bzw. die Führung hat von Frankreich eine ganze Menge in Bezug auf Banden hinzugelernt.
Battin ist ja doch ein etwas ertragreicherer Boden als bei Euch. Er wird immer mehr ausgelaugt in Prieros. Apropos, ertragreicher Boden. Könnt Ihr mir mal Geld schicken? Ich will mal sahen, was sich da machen läßt. Ihr könnt da ruhig 50,- Rm schicken. Jetzt wird es nicht mehr so genau genommen. An und für sich sind, diese Leute mehr auf Tausch aus, aber woher soll ich Wäschestucke bekommen?
Es ist jetzt gerade vier Uhr und da wird es schon wieder dunkel. Ich sitze bei einem Offizier im Zimmer und schreibe. Da ist man am ungestörtesten. Jetzt wird sicher gerade die Post gekommen sein. Sonst kommt der Postholer ja um diese Zeit. Jetzt möchte ich aber noch nicht hinunter gehen, sonst werde ich nicht weiterschreiben können.
Ja, mit den Geburtstagen braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen, denn ich habe sie alle notiert und bin somit über sämtliche Feiertage in der Verwandtschaft im Bilde.
Ihr werft da mit Namen von Prierosern rum, daß es nur so eine Freude ist. Mir ist damit aber nichts gedient, da ich diese Bekannten sich weder persönlich oder schriftlich mir vorgestellt haben noch kenne ich sie. Also kann ich damit nichts anfangen.
Hat die alte Lingnern es tatsächlich fertiggebracht, daß sie bauen kann. Da wird ihr junger Gott, der Alie, wieder über alles gepriesen. Ich kann mir den ganzen Sermon schon vorstellen, wie sie ihn Euch erzählt hat. Hoffentlich ist sie, wenn ich in Urlaub kommen sollte nicht da, oder redet etwas vorsichtiger. Ich gebe jedenfalls, so viel ich kann ihr aus dem Wege.
Wie ist das denn mit dem Alie? Ist er auch Volkssturm oder ist er zu den Volksgrenadieren gekommen? Das wäre für mich eine kleine Genugtuung. Unser Chef ist gestern in Urlaub gefahren. Vielleicht komme ich auch bald dran. Ich würde mich ja riesig freuen, aber es ist ja noch nicht bestimmt, ob es so weiter geht mit dem Urlaub. An und für sich ist jetzt nämlich Urlaubssperre. Und der Chef nimmt das auf seine Kappe. So bitte ich Euch, daß Ihr nichts darüber verlauten lasst.
Mit der Sache von Duisburg ist das so was. Ich glaube nicht persönlich an so etwas, bevor ich es selbst überprüft oder gesehen habe. Obwohl man von solchen Leuten annehmen sollte, daß diese den Tatsachen entsprechende Angaben machen, Soviel ich von Duisburgern hier bei uns weiß, haben die dort Daueralarm. Da darf es praktisch garnicht vorkommen, daß außerhalb des Luftschutzräume jemand getroffen wird.
Es stimmt schon wie Ihr sagt, daß alles ungewiß ist, aber man darf nicht die Hoffnung verlieren. Es ist tatsächlich so, wie es immer geheißen hat: Nerven behalten. Die sind jetzt bis zum letzten angespannt. Denkt Euch aber ja nicht, daß es auf der anderen Seite nicht genau so ist. Wir müssen halt mit unseren Nerven noch mehr auf Draht sein als die Tommys. Einmal gehen denen auch die Nerven durch, und wenn wir dann nur eine kurze Zeit länger durchholten, dann ist der Sieg unser. Das ist nämlich der dunkle Punkt. Da gibt es solche, die jeden, von jemanden aus dem Volk gesprochen, Mist glauben. Es stimmt, Tatsachen dürfen nicht so lange verschwiegen werden. Ihr mögt jetzt glauben, ich habe auch eine Moralpredigt gehalten. Aber die Meinung bei uns ist ins Großen und Ganzen so, daß, wenn in der Heimat Schluß gemacht wird, wir nicht nur zum Feind schießen, sondern auch in das Reich.
Laßt mich jetzt schließen. Es grüßt und küßt Euch alle ganz innig
Euer Fritz

 

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