49. Brief
Badekow, am 18. Sept. 1949

Mein über alles geliebter Werner!

Es ist Sonntag abend, u. in treuesten Gedenken sende ich Dir, meinem Liebling, die aller- allerherzlichsten Sonntagsküße u. –grüße. Wie sehr, sehr vermiße ich Dich, Du glaubst es nicht, es läßt sich garnicht schildern wie groß die Sehnsucht wieder ist. In der letzten Woche habe ich garnichts von Dir gehört, u. ich sehne mich doch so sehr, sehr nach Deinen lieben Zeilen u. Worten. Aber die längste Zeit hat es gedauert, bald bin ich bei Dir, meinem über Gut u. Geld geliebten Werner, Alles stelle ich mir so schön u. lieb vor, ach, wenn es nur erst soweit wäre. Vorfreude ist ja immer die schönste Freude. In Deinem letzten lieben Brief fragst Du mich, ob ich Dich noch lieb habe. O, Du Mäuschen! Wenn ich bei Dir bin wirst Du es merken, dann mußt Du wieder leiden!
Heute war ich nachmittags in Boizenburg bei der mir bekannten Lehrerin, um 17.00 Uhr kam ich völlig durchnäßt nach haus, aber ich hatte Glück! Die Frau hat mir etwas sehr praktisches u. wirklich nützliches für Dich, meinen lieben Werner, besorgt. Und da bin ich gern naß geworden. Für Dich tue ich alles gern. Aber verraten wird nichts, du bekommst es auch erst, sag u. schreibe - Weihnachten -, Du ließt richtig. Nicht schon, wenn ich zu Dir komme. Hört es sich nicht komisch an, wenn man jetzt schon von Weihnachten spricht, aber es ist schon bald wieder soweit. Man kann es kaum faßen. Ich hoffe, daß Du Dich dann auch noch darüber freust, gebrauchen kannst Du es dann gerade. Ziehst Du Dein Polloverchen auch schön an? Ist es nicht recht warm? Bald hast Du auch einen mit schönem langen Arm, dann frierst Du so leicht nicht. (Wenn Du den Pollover wäschst nur in lauem Wasser waschen u. spülen. Bestimmt nur lauwarm, heißes filzt u. kaltes macht hart. Aber das bitte, bitte genau beachten.) Nun mußt Du mir nur noch sagen wie ich den 2 Poll. stricken soll, wie Du ihn gern möchtest, ob einen schönen Rollkragen, oder mit Umlegekragen u. vorn einen kleinen Reißverschluß oder wie den Ärmellosen, vorn am Hals frei mit einer kleinen Spitze. Ich bin richtig glücklich, wenn ich Dir eine kleine Freude machen kann. Das Spinnen schafft recht gut in der letzten Woche habe ich immer bis 1.00 Uhr Nachts gesponnen. Am Tage hatten wir gerade nicht viel Arbeit u. nun habe ich das ausgenutzt. Es wird schon werden.
Am Freitag habe ich mir in Boizenburg ein recht schönes dunkelbl. Kostüm gekauft, 104.- DM / 58 Punkte alles von Tille. Nach dem 20. d. Mts. kaufe ich mir noch einen Wintermantel, da kommen dann die neuen Mäntel. Mit der Zeit kommt man wohl zu Sachen. Das Kostüm ist wirklich gut ich habe mir das beste genommen u. es paßt auch so schön. [?] sagt, das kann ich zur Hochzeit anziehen. Du wirst es ja sehen u. dann fällst Du selbst Dein Urteil. Ich kaufe auch meine Kleiderkarte ab. Was sollen mir die vielen Punkte u. hier gibt es schon ganz gute Stoffe, u. D.s sind auch in dem Geschäft bekannt u. das ist in solcher Kleinstadt vor allem ausschlaggebend.
Zur Zeit ist ein Brunnenbauer aus dem Städt. Wasserwerk, Kladow b. Bln. hier in Badekow. Er geht die Reihe herum essen, neulich war er bei uns u. da unterhielten wir uns auch allgemein u. von Bln. u.s.w. Er hat Dich u. mich eingeladen er wohnt mit seiner Fam. in Friedrichsfelde/Ost dort hat er ein Grundstück, er war früher selbständig nun kommt er so besser weg, wenn er u. sein 23 jähr. Sohn in Kladow arbeiten. So lernt man Menschen kennen. Wir gehen beide hin. Nicht wahr, mein Liebling? Es wird ja nicht sein Tod sein? Oder richtiger gesagt, unser Tod sein.
Wie geht es Dir sonst, meinem lieben, lieben Werner? Hast Du den Hafer schon zurück? Was macht die Arbeit? Und Fam. D.? Grüße mir bitte alle Bekannten recht vielmals. Auch ich soll dir von allen viele herzliche Grüße bestellen.
Ein recht, recht baldiges Wiedersehen, u. allerherzlichste Grüße u. Küße, sendet Dir meinem lieben, lieben Werner, deine sich immer nach Dir sehnende u. dir ewig treu bleibende
Ida