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Brief (Transkript)

Ida F. aus Schwartow an Werner M. nach West-Berlin am 30.11.1947

 

30. Brief. Schwartow, am 30. Nov. 1947

Mein lieber, lieber Werner!

Vor mir auf dem Tisch steht Dein liebes Bild und ein schlichter Adventskranz mit einem brennenden Licht. Alle meine Gedanken sind ganz ungeteilt bei Dir, meinem Liebling. Ich bin sehr traurig, daß es mir bis heute, aber auf Ehre und Gewißen, bei dem besten Willen noch nicht gelungen ist, zu Dir zu kommen. O, mein lieber, lieber Werner, was wirst Du nur von mir denken? Vergiß mich nicht. Ich denke immer an Dich, stets sind meine Gedanken bei Dir. Immer und ewig bleibe ich Dein.
Wenn ich doch nur erst bei Dir sein könnte. Früher, also ich meine im Sommer und auch noch im Früh-Herbst fuhren wöchentlich 2-3 Lastwagen nach Berlin und nahmen Personen mit, aber das ist augenblicklich alles nicht mehr. Die ganzen Boizenburger Autos sind im Kreise Wismar/Meckl. im Zuckerrüben Einsatz. Was es nicht alles gibt. Man lebt aber hier wie auf einer einsamen Insel.
Wir sind eben hier außerdem Grenzgebiet und dann müßen wir uns auch die Zugeinschränkungen gefallen laßen. In Greße, bei meinen Eltern, ganz in der Nähe ihrer Wohnung, ist auch neuerdings wieder ein Schlagbaum.
Ach ja, mein herzensguter, bester Werner, ich hätte Dir sehr, sehr viel zu erzählen. Schriftlich geht es leider, leider nicht so gut. Und wenn ich am heutigen 1. Advent bei Dir meinem Liebling wäre, dann würde ich Dich bestimmt um ein Advents-Lied um ein Weihnachtslied bitten. Ich hätte Dir nicht früher Ruhe gelaßen, bis Du mir ein solches auf Deiner so schönen Geige vorgespielt hättest. Ich höre doch so gern Musik. Wenn ich jetzt an zuhaus denke. Wie schön war es stets um diese Zeit. Es wurden an den Abenden all die schönen alten Weihnachtslieder gesungen und Weihnachtsarbeiten gemacht. Ach es war doch wie im Traum! Ist die Adventszeit nicht die schönste Zeit des ganzen Jahres? Ich möchte es beinah behaupten.
Ob wir das Weihnachtsfest 1948 wieder in der Heimat feiern können? Papa glaubt es nicht. Wie wird man die deutschen Grenzen festsetzen.
Wir wollen unsere Erwartungen nur nicht allzu hoch schrauben, dann werden wir wenigstens nicht enttäuscht. Jedenfalls sind wir von einer Höhe gefallen, die wir nie mehr ersteigen.
Wieviel Staaten stellen denn nun eigentlich Forderungen an uns? Österreich ist doch wohl auch darunter? Bedauerlicherweise können wir ihnen nicht einmal die Asche ihres großen Sohnes überreichen! Aber vielleicht könnte man ihnen die Feldherrnhalle in München zur Demontage anbieten!
Auch meine Eltern laßen herzlichst grüßen.
Aber auf das allerherzlichste grüßt und küßt Dich, meinen über alles geliebten Werner, Deine sich immer nach Dir sehnende
treue Ida

 

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