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Brief (Transkript)

Manfred von Plotho an seine Ehefrau am 2.12.1942 (3.2008.2195)

 

den 2. Dezember 1942



Meine liebste Tutzi!

Tage verschiedenartigsten Erlebens liegen hinter uns. Noch sind wir eingeschlossen, aber die Lage hat sich volkommen gefestigt, so dass wir mit Zuversicht die weitere Entwicklung abwarten dürfen. Immerhin ists noch schwierig, die Post zu bekommen, da das nur auf dem Luftwege durch irgendwelche Beziehungen geht. Heute will ich es einmal direkt auf dem Flugplatz versuchen. Von den letzten Tagen ist nicht viel zu erzählen. Wir haben die Krise mit guten Nerven durchgestanden. Wie immer war der Krieg am Telephon um vieles anspannender für die Nerven als der Kampf in der Steppe, der nur immer wieder eine grosse körperliche Anstrengung bedeutet. Unsere Soldaten haben wieder Heldenhaftes geleistet. Kämpfe von grosser Wildheit. Der Russe sah nach einem Anfangserfolg seine grosse Chance und griff mit aller Wucht weiter an. Führung + Truppe haben diese Probe voll bestanden – und nun sind wir dabei, dem erschöpften und weit verzettelten Russen den Spiess umzudrehen und ihn anzupacken, damit wir Ruhe für den Winter bekommen. Jedenfalls ist bei uns die Stimmung nach einigen etwas grauen und nebelverhangenen Novembertagen wieder so zukunftsgläubig und bejahend wie der schöne Dezember-Sonnentag, der über die verschneite Steppe blaut. Es ist ganz schön kalt, aber mit der guten Winterbekleidung ohne weitere erträgliche Fälle von Erfrierungen sind trotz der Kämpfe in der offenen Steppe noch nicht vorgekommen. Uns gehts bisher noch besonder gut, weil wir als einzige Truppe an der noch nicht zugefrorenen W. stehen und uns deshalb nur an den Flügeln mit den Russen herumschlagen müssen. Dieser Tage soll nun der Hptm. von Mutius [?] kommen. Da steigen meine Aussichten auf Urlaub ganz beträchtlich, weil der mich nach einiger Einarbeitung vertreten kann. Aber zunächst muss die militärische Situation wieder hergestellt sein.
Natürlich sind die Gedanken in diesen Tagen oft an Euch gewandt. Aber wenn es auch einmal sehr ernst aussah, habe ich mich nicht zu einem dieser bewußten Abschiedsbriefe entschließen können. Einmal war es zweifelhaft, ob ein solcher Brief überhaupt noch je an seinen Bestimmungsort kommen würde – und dann glaube ich, dass Du so viel lange Briefe von mir hast und Du mich viel zu gut kennst, dass ich keinen „tragischen“ Abschiedsbrief zu schreiben brauche, wenn es einmal so weit sein sollte und man da zu allem Übel auch noch warten weiss [?]. Die Jungens wirst Du mir schon vernünftig erziehen, da habe ich keine Sorge. Eine Wahrheitsfanatikerin bist Du selbst und die Freude am Leben habe ich Dir noch vertiefen helfen. Ja, was Erziehung anbelangt, so weiss ich schon jetzt, dass wieder einige [...] fällig sind. Ich meine jetzt bei dem Papi! Bei diesem Leben nur unter Männern gewöhnt man sich allerlei Unarten an. – Vielleicht schreibe ich Dir doch noch einmal einige Gedanken zur Erziehung der Jungen. Schon damit man sich selbst bei der Niederschrift der verschiedenen Fragen klar wird. – Ja, Tutzi, es wird das nächste Mal allerhand zu besprechen geben. Denn vom Krieg in Russland wollen wir beim nächsten Urlaub nur über die erfreulichen Seiten reden. Die Sonne – die Weite der Landschaft – die Unmittelbarkeit der Natur.
Tutzilein, mein lieber Spatz, pass’ mir gut auf auf Dich und die Kinder, und macht Euch nicht zu viel Sorgen um den Papi in Russland, der sich schon durchschlagen wird.
Manfred

 

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