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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 21.02.1942 (3.2002.1214)

 

32. Brief

O.U., d. 21. Februar 1942



Mein kleines E.!

Wie ich Dir schon im vorigen Brief schrieb, kam wirklich noch am gleichen Tage Post. Ich selbst musste sie sogar noch abends abholen. Sie wurde von Wjasma bis Jarzjewo, einem Ort an der Autobahn, gebracht. Bis J. waren es für mich dann noch 25 km Fahrt. Wie freudig unternimmt man dann eine solche Fahrt, wenn man die Hoffnung hat, wieder ein Briefchen von Dir in den Händen zu halten. Ich bin ja auch noch nie enttäuscht worden. Wenn Post kam: für mich waren immer einige Briefe dabei. So auch vorgestern: Dein Brief vom 3.1 (Nr. 21) und vom 18. 1. (Nr. 29). Einer gebrauchte also fast 6 Wochen. Außerdem kam das Buch von Vater, allerdings sehr schweres „Futter“. Ob ich einmal die Ruhe finden werde, mich in ein solches Buch zu vertiefen? Das Thema interessiert mich sehr, aber wie gesagt: man muss Ruhe dazu haben. Da dieses „Weihnachtspäckchen“ noch angekommen ist, kann ich also auch auf die anderen unterwegs befindlichen Päckchen rechnen. Auch andere Kameraden bekamen erst jetzt den Weihnachtskuchen, der sogar noch verdaulich war. Jedenfalls ist jetzt die Freude über Päckchen genau so wie Weihnachten. Denkt aber doch lieber frühzeitig an die Ostereier. Wir denken alle an den Frühling und fühlen uns jetzt schon durch die warme Februarsonne herrlich erwärmt. Die größte Kälte scheint doch vorbei zu sein. Der harte Januar genügte uns auch vollkommen. Es sind zwar auch jetzt noch – 20° nachts. Am Tage aber steigt das Quecksilber schon auf + 10 ° in der Sonne. Also immerhin ganz beachtlich. Wir laufen tagsüber schon leichtsinnigerweise ohne Mantel, ohne Kopfschützer herum. Auch die Nachtwachen sind angenehmer, da es fast windstill ist. Im Augenblick freuen wir uns jedenfalls über das schöne Wetter und wollen gar nicht daran denken, dass es nochmals anders kommen könnte. Wenn Du diesen Brief bekommst: Anfang bis 10. III., dann ist bestimmt die längste Zeit vom Winter vorüber. Wir wundern uns immer wieder, wenn es Sonnabend ist. Man lebt auch in dieser dauernden Anspannung und Spannung, dass einem kaum Zeit bleibt, müde zu sein. Wir sind tägl. von 7 Uhr bis 23 – 24 Uhr ununterbrochen auf den Beinen, haben jede 2. Nacht Wache, fühlen uns aber dabei ganz wohl. Nun sind alle, vom Hptm. an abwärts, sehr gereizt. Unser ständiger Ausdruck: es ist alles Nervensache! Zeugt davon, dass wir alle damit ziemlich fertig sind. Richtig glücklich bin ich bloß, 1. wenn ich abends in meinem Bett liege, weiß, dass ich ohne Störung durchschlafen kann und 2., wenn ich mit meinem Traber unterwegs bin, allen kleinlichen Ärger zu Hause gelassen habe, und über die weiten weißen Felder und Straßen dahintrabe. Dann bilde ich mir ein, dass es mir doch soooo gut geht, fühle mich ganz wie in St. Moritz, bekomme kaum durch die strahlende Sonne die Augen auf. Dann denke ich auch an die schönen Wochenendfahrten nach Oberwiesenthal, obwohl ich dort nie so strahlend schöne Tage erlebte. Augenblicklich steht mein Pferdchen, warm eingehüllt in Wolldecken auf dem Hof in der Sonne. Es freut sich auch, dass es ihm besser geht, als seinen russ. Kameraden, die tägl. schwere Heufuhren herumschleppen müssen. – Nun zu Deinem Neujahrsbrief. Deine begeisterte Schilderung von Car. Burana kann ich verstehen. Gerade gestern kam mir eine alte Dezemberzeitung in die Hand, in welcher auch eine lange ausführliche Rezension dieses Werkes enthalten war. Ich glaube schon, dass auch die tänz. Kräfte des staatl. Hauses großartig sind. Hoffentlich kann die Oper bald wieder umziehen, denn Kroll sieht doch schon ganz schön schäbig aus. – Dass Du Dich langsam dem Suff ergibst, mein Kleines, finde ich auch sehr verständig und vernünftig. Wir hatten auch anl. Helm. Geburtstages 3 l Pomeranzenlikör erworben. Bis gestern reichte er aus und verlieh uns allabendlich eine wunderbare Bettschwere. Warum siehst Du aber so elend aus? Denke doch bitte etwas an mich und schufte nicht so viel herum. Es ist doch Unsinn! Jedenfalls mag ich kein Evchen, welches später, wenn Vati mal nach Hause kommen sollte, wie eine Schleiereule aussieht. Dann gerade musst Du in strahlender Schönheit Deinen Mani empfangen, dann soll das Leben noch einmal neu beginnen ---- ja dann soll auch Klaus sein Schwesterchen bekommen. Aber dazu ist Vorbedingung, dass Du, mein Herzel, in Hochform bist, Dich auf Deinem Lebenshöhepunkt befindest. Wenn Du aber klapprig wie ein Panjegaul bist, dann läufst Du ständig zum Arzt und bist immer ... müde. Das Anrecht darauf hat dann nur Dein Manile. Oh, wie werde ich später immer die Couch drücken! Alles werde ich nachholen. Also, mein Kleines ich weiß, dass ich tauben Ohren predige, aber trotzdem: gehe in Dich, pflege Dich. Früher war ich angeblich immer der, welcher für Deine schwarzen Augenränder verantwortlich war. Heute bin ich weg, Du müsstest Deine Ruhe eigentlich haben: aber trotzdem fühlst Du Dich elend. Dann gehe lieber frühzeitig, hörst Du: regelmäßig zum Arzt. Ich will nach Kriegsende jedenfalls nicht ins Altersheim – dann musst Du allein gehen. Wie geht’s denn Klaus? Ist er gesund und munter? Hat er rote Bäckchen und schläft er gut? Sicher kannst Du Dich jetzt schon mit ihm richtig vernünftig unterhalten und wird schon manche Dinge verständnisvoll betrachten. – Bezgl. der versch. Päckchen, die zurückgekommen sind, sorge Dich nicht. Wäsche, warme Sachen, u.s.w. brauche ich nicht mehr als ich augenblicklich habe. Ich bin schon derartig mit Gepäck belastet. Ich wäre ratlos, wenn ich ohne Wagen wäre. Also schicke nichts mehr. Ich machte dagegen heute einige Päckchen mit Taschentüchern, Hemden u.s.w., die ich nicht mehr gebrauche. In jedes Päckchen legte ich einen guten Happen bei und hoffe, dass er Dir gut schmecken wird. Hebe vor allen Dingen diese Sachen nicht zu lange auf. Wir hatten schon Dosen, die schlecht waren. Ein Brillengestell schicke ich Dir auch. Lass‘ nach Muster der Gasmaskenbrille Gläser einpassen und schicke mir dann beide Brillen schnellstens zurück. Bis heute ging alles gut. Wer weiß, wie lange noch. Also eiligst!
Dieser Sonnabend-Nachmittagbrief ist ganz ohne Störung geschrieben. Wie schön war‘s sonnabends auf unserer Couch - bis Evchen manchmal Dummheiten machte – und dann klingelte das Telefon oder die N.S.V.
Aus weiter Ferne, unendlich weit weg – schicke ich Dir und Klaus, liebe innige Grüße und Küsse. Behaltet mich lieb – grüßt alle herzlich, Eltern Oma, Opa, Uroma und die komischen Dischereits. Dein Dich liebender
Manile

 

 



Ansicht des Briefes

 

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