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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 13.08.1942 (3.2002.1214)

 

102. Brief!

Im Osten, den 13.8.1942



Mein geliebtes kleines E.!!

Vorgestern und gestern konnte ich nicht schreiben, heute muss Zeit hierfür vorhanden sein – es muss Feierabend sein. Es scheint auch so, dass wir den letzten Rest des Tages „störungslos“ verbringen können. Allerdings – man soll den Abend nicht vor dem Morgen loben – so heißt es jetzt wenigstens immer bei uns! So war auch an den letzten Tagen wieder alles „dran“, die Arbeit brach nicht ab, desgl. nicht die „Beigaben“. Heute hatten wir wieder eine große Störung, die uns 8 Std. aufhielt. Um 9 Uhr ging ich mit einem Kameraden unsere Strecke ab – wir freuten uns – nichts war über Nacht zerschossen worden – auf dem Rückweg (1 Std. später) sind wir gerade zur Stelle, als unsere Leitungen wieder auf eine Länge von 300 m von Bomben zerstört werden. Es war zum Heulen, wie unser Gestänge danach aussah. Ein wüstes Chaos! In einer halben Stunde waren die übrigen Kameraden zur Stelle – und im Schweiß und Zorn wurde in 8 Std. wieder alles repariert. Gott sei Dank ist jeder von der Wichtigkeit seiner Arbeit überzeugt, jeder weiß genau was es bedeutet, wenn unsere Leitungen einige Stunden gestört sind, jeder arbeitet mit Feuereifer, ohne Rücksicht auf Schwierigkeiten. Na, hoffentlich sind diese „Druck“-tage bald vorüber. Sie tragen jedenfalls nicht zur Verschönerung meines „Urlaubs“ bei! Urlaub nenne ich trotzdem immer noch den Aufenthalt hier in O.. Das Wetter ist seit Tagen herrlich – eigentlich richtiges Vormarschwetter. Ich bin jedenfalls heilfroh, dass ich in den letzten 14 Tagen nicht in R. war. Das Schicksal war wieder einmal gütig! Zur Erhöhung unserer Sicherheit haben wir auch noch einen Bunker gebaut, in welchem wir sogar nachts schlafen! Die letzte Nacht war herrlich – 8 Std. Schlaf ohne Unterbrechung. Kein Motorenlärm konnte uns erschüttern. Sogar den Fernsprecher hatten wir mit hinein genommen, waren also stets an der „Strippe“. Wir sind nun alle gespannt auf die nächsten Tage. – Du wirst nun auch, mein geliebtes Herzel, morgen oder übermorgen die Heimreise antreten, die Dir sicher sooo schwer fallen wird. Aber auch die Wochen ohne Klaus werden Dir sicher eine gewisse Erleichterung bedeuten und Nacherholung sein. Vor allem werden aus dieser Zeit sicher recht lange Briefchen kommen! Wieder mit Schreibmaschine geschrieben! Mein Liebes, in diesen Tagen war mir manchmal das Herz recht schwer. Ich hatte trotz der vielen verantwortungsvollen Arbeit einige Stunden, wo ich dauernd bei Euch war. Ich ging mit Dir durch unsere hellerleuchtete Wohnung, aus unserem Plattenspieler ertönte Mad. Butterfly, der Tisch war reich gedeckt. „Unsere“ ruhige Stunde am Abendbrottisch war gekommen und Klaus saß noch 10 Minuten bei Vati, zeigte mit seinen süßen Fingerchen auf Käse, Butter, Fleisch! Solche Vorstellungen sind Gift – aber man lebt doch von diesen Erinnerungen – und erhofft sie doch im Stillen wieder für die Zukunft! Wir leben hier doch wie auf einer Insel ohne Frauen! Morgens steht man auf, nur Kameraden um einen herum – so mittags, bei Tisch, man schmatzt, man stöhnt, man schwitzt, man ist rücksichtslos, man ist gereizt, überempfindlich – bei jedem macht sich der Ostkoller anders bemerkbar. Ich selbst muss manchmal schwer an mich halten, mich zusammennehmen, darf nicht als Truppführer aus der Rolle fallen, muss immer Vorbild sein, auch wenn es noch so schwer fällt. Ich staune selbst über meine Ruhe, wenn ich in schwierigen Fällen vermitteln und schlichten muss. Mich kann nichts erschüttern – ich wünschte nur, ich bliebe auch nach dem Kriege so. Aber wer weiß, wie die Strapazen und Ereignisse die nächsten Jahre einen noch „massieren“ werden! – Immer wieder geht ein Tag zur Neige, wir haben alle großes Vertrauen und einen festen Glauben an eine glückliche Zukunft. Manchmal „träumen“ wir auch von einem „besonderen Schlag“, der uns den Frieden über Nacht bringt – bringen soll – bringen möchte. Wollen wir uns auch nicht unterkriegen lassen – Stimmungen müssen überwunden werden – es gibt nur eine Stimmung – und die ist bei uns und auch bei Dir, gut! So steigt jeder weiter für sich allein in sein Bettchen, bzw. auf seine Heuschütte und ist mit seinem Los immer noch zufrieden, nicht wahr? Gute Nacht, mein Herzel, wir schlafen wohl und träumen von einander.
Tausend liebe Küsschen,

Dein Manichen!

 

 



Ansicht des Briefes

 

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