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Brief (Transkript)

Hans-Joachim S. an seine Frau am 17.04.1943 (3.2002.1214)

 

51. Brief

O.U., den 17. April 1943



Meine liebe liebe E.!

Genau so wie bei Dir, eilen auch hier die Tage und Wochen – man ist immer wieder erstaunt, wenn eine Woche vorüber ist. Dann muss ich mir aber ernstlich einen Ruck geben und mich zum Schreiben hinsetzen, bevor wieder etwas dazwischen kommt. Die letzte Woche war aber ganz besonders freudig. Endlich ereichte mich das herrlich’ süße Päckchen, und 2 Briefe vom 2. u. 4. April. Zum Päckchen kam ich auf besonders schnelle Weise. Im letzten Brief schrieb ich Dir noch von unserer schweren Arbeit im tiefen russ. Wald. Schon am nächsten Tag werden wir von einem anderen Zug abgelöst und wir bekamen einen Bauauftrag bei O. Im Augenblick, als wir nach O. hineinkamen, trafen wir Meyer, der vom Urlaub kam und auf der Straße, wartend auf einen LKW, stand. Er konnte mir also sofort das Paket übergeben, bevor es noch über andere Dienststellen ging. Ich habe mich über alle süßen Sache so doll gefreut, mein Herzel, Du kannst es Dir nicht vorstellen. Die Kameraden fielen gleich über die Zigaretten her, denn damit sind wir vollkommen ausgebrannt. Jeder zählt die Tage bis zur Ankunft seines Päckchens. Manche sind ganz krank, wenn ihnen eine Zigarette fehlt. 20 Zigaretten tauschte ich auch gegen Eier ein, so dass mir doppelt geholfen war. Aber die schönen Pralinen habe ich doch alleine aufgefuttert. Es waren herrliche 10 Minuten. Jetzt bleibt mir nur noch das schöne weiche Papier! Das Buch ist nun auch da und wenn nun ein O.-Anw. - Kursus kommen sollte, bin ich wenigstens vorbereitet. Aber jetzt sieht alles mehr nach Vormarsch aus, als nach Kursus. Um heute diesen Brief zu schreiben, habe ich für heute den Quartier-Wachdienst übernommen, denn sonst käme ich überhaupt nicht dazu. Früh um 4 Uhr geht’s tägl. los – die ganze Woche über bis 18 – 19 Uhr. Dann ist man so erschossen, man isst, man frisst seinen letzten Kanten auf und legt sich, 10 Mann nebeneinander, auf den Fußboden und schläft wie tot. Wanzen, Läuse, Flöhe, Ohrwürmer, Ameisen Mäuse – nichts kann uns in den Nachtstunden dann erschüttern. Erst am Tage werden bei Sonnenlicht die „Abschüsse“ vorgenommen. In den ersten Tagen lag ich in einem anderen Winkel des Raumes und hatte da bis Mitternacht rund 100 Wanzen getötet. Ich gab es dann auf, den Rest zu zerstören. Den ganzen Tag über wird geschuftet, gottlob im Augenblick bei schönem Wetter. Die Kehrseite ist nun aber auch gleich da: der Staub. Wie Müllerknechte, so weiß-grau sehen wir aus und in unseren unrasierten Gesichtern klebt der Mist besonders. Aber trotzdem, so komisch und seltsam es klingen mag, ich bin zufrieden, guter Stimmung und körperlich 100 %ig wohl. Die Strapazen können mir alle nichts anhaben! Manche Kameraden fluchen von morgens bis abends, bemeckern alles und erschweren sich damit so das Leben! Die Quartiere sind ja aber auch augenblicklich katastrophal. Schlimmer können Negerküsse nicht sein. Aber wer weiß, wie schnell sich alles wieder ändert! Meine einzige Sorge ist nur der Urlaub. Bei uns herrscht darüber auch großes Rätselraten. Deinetwegen mache ich mir eigentlich auch oft große Sorgen, besonders wenn ich wieder an die Fliegerangriffe denke, die Euch zum 20.4. bevorstehen. Dagegen glaube ich fest und zuversichtlich, dass mit Thusneldchen alles gut gehen wird, auch wenn Manile nicht dabei ist und an Deinem Bettchen sitzen kann. Schubert wird sie schon richtig ans Tageslicht befördern, ihr den richtigen Klaps auf den Po geben. Und die Liebe u. Sorge der guten Oma wird den fehlenden Mann schon ersetzen – da bin ich vollkommen beruhigt. Trotzdem, wie gerne möchte ich als erster Besucher bei Dir sein, Dir einen lieben Dankeskuss geben und mit Dir zusammen das Kindlein anschauen. Bezgl. Namen übrigens bleibe ich dabei: entscheide Du! Die kleine Sorge sollst Du auch noch haben. Sollte es aber ein Junge zufällig geworden sein, dann muss er auch einen richtigen Jungennamen haben, keine gezierten verschnörkelten Namenszusammensetzungen. Wolfgang wäre wunderschön. Bloß nicht Heinz-Dieter, Dietmar oder ähnliche Faxen. Solche Namen schaden nur im späteren Leben. Dann noch etwas Wichtiges! Du schreibst von den Rechnungen bezgl. Deiner Operation und später der Geburt. Erstens muss für diese Ausgaben die Krankenkasse in Anspruch genommen werden und über den Rest eine unquittierte Rechnung der Fam.-K. vorgelegt werden. Diese müssen das bezahlen! Es ist ganz selbstverständlich, dass diese dafür aufkommt. Wer soll es denn sonst bezahlen? Hoffentlich kommt nun Deiner Reise nichts dazwischen. Vergiss nicht, mir frühzeitig Deine Anschrift mitzuteilen. Vielleicht erreicht Dich dieser Brief schon nicht mehr in Berlin. Dann wirst Du endlich Ruhe haben, brauchst Dich über das Gerede gemeiner Menschen nicht mehr zu ärgern und kannst dann einmal einige Wochen mit Deinem Jungen ganz alleine sein, schöne Spaziergänge unternehmen, gut futtern u. viel viel schlafen. Wenn Du nicht Thusneldchen bei Dir hättest, würde ich Dich beneiden. So gönne ich es Dir von Herzen und wünsche Dir recht schöne Tage u. gute Erholung. Speichere recht viele Reserven auf, im Herbst wirst Du alle Kräfte gebrauchen müssen, wenn Klaus zur Schule geht, die Kleine da ist und noch andere Pflichten Dich rufen. Wie geht es denn der Oma? Sie wird doch auch sicher nicht mehr mit der vielen Arbeit fertig. Grüße sie u. Papa recht herzlich. Ich bin ihnen so dankbar, dass sie in dieser schweren Zeit für Dich eine so große Stütze sind.
Mein Kleines, liebes Muttile! Sei nicht traurig, wenn ich erst in 5 – 6 Tagen wieder schreibe. In direkter Gefahr schwebe ich nicht und jede Bombe trifft ja nicht! toi, toi, toi. Ich fühle mich sauwohl –nur seelisch ist manchmal ein Tiefpunkt da - aber der geht vorüber. Grüße alle Lieben herzlich, Dich u. Klaus aber küsse ich innig - in Gedanken.
Euer Vatile

Wie geht es Franz, was ist mit H. Popp?

 

 



Ansicht des Briefes

 

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