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Brief (Transkript)

Charlotte M. aus Göttingen an Willy M. nach Gotha am 25.10.1980

 

Göttingen, 25.10.1980

Lieber Bruder Willi, liebe Ilse!

Nun ist es aber an der Zeit, dass ich Dir für Deinen lieben Brief vom 30.9.80 danke. Mit Aufmerksamkeit haben wir ihn gelesen und freuen uns sehr, dass es Dir bei uns gefallen hat. Beruhigt bin ich, dass auch die Fotos gut dort angekommen sind und Du damit die Erinnerungen auffrischen kannst.
Tief betrübt bin ich, dass Du weiter mit Schmerzen kämpfen und leben musst. Hoffentlich greifen die Medikamente den Magen nicht zu sehr an. Es ist trotz allem gut zu wissen, dass Du den Dingen realistisch in die Augen schaust und Dir abwechselnd Ruhe und Bewegung, sowie Therapie verordnest. Hier hört man immer wieder, daß so etwas gut operiert werden kann, aber eine lange Durststrecke der Unbeholfenheit überwunden werden muss, dann aber ideal schmerzfrei, nur vor Stürzen wird gewarnt. Es ist ungeheuer schwer, zu oder abzuraten, was eine Operation betrifft. Gibt es denn ernährungsmässig eine vom Arzt verordnete Therapie, z.B. magenschonend?
Inzwischen habe ich ein Paket mit dem Schneeanzug für Eure Ellen auf den Weg gebracht und ich hoffe, es ist gut angekommen. Erwin hat mir den Weg zur Post gern abgenommen. Ebenso habe ich an Dich ein Paket mit den Schuhen, Klebstoff und Absatzgummi, Schuhkreme an Dich abgeschickt, ich hoffe auch hier, dass alles gut ankommt und auch passt, sowie Deinen Vorstellungen entspricht. Ein Schuhanzieher 30 cm lang ging nicht ins Paket, er folgt, sodass Du Erleichterung in dieser Beziehung hast.
Dieser Tage bekam ich nach langer Zeit wieder einen Brief vom Dieter. Er wird mit Hanna, wenn nichts dazwischenkommt, Anfang November in Gotha sein. Ich denke, dass auch wir am 8.11.1980 Euch besuchen können. Es ist nur die Frage, wo wir Mittagessen und Kaffee trinken, da wir ja anstandshalber auch mal bei Frieda aufkreuzen müssen. Ich würde vorschlagen, wenn es Euch recht ist, dass wir entweder im Gasthaus oder bei Frieda – nach Anmeldung – ein kleines Mittagessen zu uns nehmen und bei Euch Kaffee trinken. So wird es für Ilse nicht zuviel, nach einem arbeitsreichen Vormittag. Vielleicht lasst Ihr Euch was anderes einfallen. Wenn es das Wetter einigermassen zulässt, würden wir natürlich zuerst zum Friedhof fahren. An der Grenze wird ja nicht viel los sein, wegen des teuren Eintrittsgeldes. Unser Auto bringen wir in der nächsten Woche zur 2. Jahresinspektion, wo es winterfest gemacht wird.
Hier in unserer Gegend hatte der Herbst bis jetzt wirklich noch schöne Tage, die wir uns mit kleineren und grösseren Spaziergängen noch verschönt haben. Die frische Luft tut mir besonders gut, nach dem Bibliotheksduft tagsüber. Arbeit gibt es genug, aber manchen Leuten passt auch das nicht. Mir macht meine Tätigkeit Freude und ich habe nicht die Absicht, mir das von irgend jemanden vermiesen zu lassen. Es ist nur manchmal sehr hart, aber ich muss wohl durch.
Gesundheitlich geht es uns soweit gut, Essen und Trinken schmeckt. Auf meinem Balkon ist noch nicht der Winter eingekehrt, bzw. Herbst. Es ist alles noch grün und ich bin Deinem Rat gefolgt und giesse die Petersilie regelmässig, die dabei prächtig gedeiht. Vielen Dank für den Tip.
Hoffentlich hast Du Dich nicht übernommen bei den Wegen zum Garten. Schade, dass noch kein Bus in diese Richtung fährt. Kommst Du mit den Gehhilfen zurecht? Ich überlege immer noch, mit was ich Dir von hier aus etwas Erleichterung verschaffen kann. Wie ist es mit einer Umhängetasche? Und hast Du für den Winter eine warme lange Jacke? Prospekt anbei.
Am 12.10.80 hatte Onkel Willi in Düsseldorf Geburtstag. Ich habe angerufen und kurz mit Tante Johanna und Onkel Willi gesprochen. Onkel Willi hat eine ganz greisenhafte Stimme, aber er scheint geistig und soweit gesundheitlich noch auf dem Posten zu sein. Erfolg der guten Pflege von Tante Johanna.
Ansonsten habe ich von der Verwandtschaft nichts wieder gehört. Nun, Weihnachten ist ja nicht weit. Tante Martha in Verden hört sehr schwer, also ein Gespräch am Telefon ist kaum möglich.
Heute gibt es bei uns Weisse Bohnensuppe und morgen Meerrettischsosse mit gepökelter Rinderbrust. Und Zwetschenkuchen (von geklauten Zwetschen) schmeckt besonders gut, ich habe nun schon den 4. Kuchen gebacken. Nebenher eine große Portion Pflaumenmus gekocht.
Das sind so meine entspannenden Tätigkeiten, gut daß es sie gibt, denn man kann nicht nur in Bibliothek denken und alles, was damit verbunden ist. Es gibt doch soviel Schönes auf der Welt!!!
Für heute soll es genug sein, bleib gesund und sei und Ilse herzlich gegrüßt bis zu unserem Wiedersehen

 

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