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Brief (Transkript)

Charlotte M. aus Göttingen an Willy M. nach Gotha am 06.11.1983

 

Göttingen, 6.11.1983

Lieber Bruder Willi!
Deinen Brief vom 21.10.83 erhielt ich am 1.11.1983, den Brief vom 29.10.83 gestern am 5.11.1983. Der Postweg ist in der Tat unterschiedlich lang. Auf jeden Fall danke ich Dir sehr dafür und ich habe mich gefreut von Euch zu hören bzw zu lesen.
Obwohl es bisher ein ruhiger Herbst war, hatte ich bisher keine Zeit zu einer Spazierfahrt nach Gotha zu kommen. Es ist auch so, daß ich ein bisschen sparen will. Ich weiß also auch immer noch nicht, ob ich an einem der nächsten Sonntage kommen werde. Ich bitte um Verständnis. Auf jeden Fall habe ich aber vor – wenn es Euch recht ist- am 24.12.83 bis 26.12.1983- Euch einen Besuch abzustatten. Weil ich ein bisschen Schiß habe, wegen des Wetters, werde ich mit der Bahn fahren. Ich bitte Euch nun, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Hoffentlich habt Ihr noch alle Angaben ggf müßt Ihr mir noch ganz schnell schreiben, was fehlt.
Vielen Dank daß Ihr nach den Gräbern seht. Und daß Euch Euer Bekannter aus Erfurt mit dem Umgraben geholfen hat, finde ich auch nett. Und daß der Boden hart war, kann ich mir denken. Bei meinen kleinen Spaziergängen sah ich es in Garten und Feld.
Die Bilder vom Aufenthalt von Dieter und Hanna in Gotha sende ich mit getrennter Post, sieht ja toll nach Arbeit aus und das ist gut so. Auch Dein Vorschlag an Dieter, das in den kommenden Jahren so zu handhaben, finde ich gut, so ist allen geholfen, und es kommt nichts um. Und ein bisschen Gartenarbeit tut den beiden und ggf auch den Jungens ganz gut – von wegen der Figur! Für Dich und Ilse bleibt trotz allem noch gehörig viel Arbeit.
Ilse hat sicher jetzt auch eine anstrengende Zeit hinter sich, wenn sie voll gearbeitet hat. Wie hast Du Dir denn geholfen mit dem Essen?
Ich bin doch sehr beruhigt, daß Du Du so diszipliniert die Tabletten einnimmst. Dir auch die entsprechende Ruhe gönnst, damit meine ich den Schlaf – das ist das A und O für die Nerven, wohl dem der schlafen kann ob bei Tag oder Nacht. Wenn wir gewußt hätten, daß der Termin noch so lange auf sich warten läßt, hättest Du gut noch mal hierher kommen können. Natürlich ist auch die Arbeit im Garten zu bedenken in dieser Jahreszeit. An was es liegt, daß sich alles so lange hinzieht, weiß man nicht, vielleicht fehlt es tatsächlich am Nachschub, vielleicht gibt es aber auch schlimmere Fälle?? Auf jeden Fall: halte die Ohren steif – es kostet verdammt viel Nerven auch das ganze Drum Herum.
Dabei gegrüße ich es sehr, daß Du als Vater und Großvater mit Ilse als Mutter und Großmutter die Initiative ergriffen habt und Euer Enkelchen besucht habt. Vielleicht will Eure Schwiegertochter gebeten werden, irgendeine Taktik wegen der Besuche scheint angebracht, Ihr seid auf dem richtigen Weg, so wie ich es von hier aus sehe. Ich würde z.B. die Beiden zum 1. Advent schriftlich zu einer Tasse Kaffee und Kuchen einladen, dabei der Ellen zum Nikolaus was für die Schuhe mitgeben oder so ähnlich. Ihr werdet es schon packen. Meine Frage: was kann ich von hier aus für Ellen kaufen, was Ihr dann schenkt? Ein Teddy oder anderes Spielzeug? Oder? Bitte schreibt mir bald deswegen, ich habe keine Lust im dicksten Weihnachtstrubel einzukaufen, ich plane schon jetzt und jetzt ist auch die bessere Auswahl. Was kann ich für Ilse mitbringen oder ist es besser, wenn ich den Betrag zur Seite lege? Hast Du einen besonderen Wunsch? Bitte schreibe mir bald darüber!
Von mir kann ich berichten, daß ich soweit gesund bin, eine keline Erkältung scheint sich anzubahnen, die werde ich hoffentlich erfolgreich mit Vitaminen „bekämpfen“ mir ist ein bißchen fiebrig. Meine Heizung wird erst am Donnerstag 10.11. montiert. Der Heizkörper muss noch lackiert werden, am Mittwoch paßt es mir aus dienstlichen Gründen nicht. So sitze ich, die Heizung aus Sicherheitsgründen nur immer kurz angeschaltet am Abend, seit bald 3 Wochen. Ich mußte erst reklamieren, seine Antwort: er hätte mich telefonisch nicht erreicht!!! Dabei sitze ich im Dienst direkt am Telefon- eine Ausrede ist immer was wert. Inzwischen tropften schon 4 Schüsseln Wasser aus der Heizung. Vor 12 Jahren hat man wahrscheinlich keine gute Qualität genommen, nun wird es teurer Spaß, gottseidank nicht für mich. Mein Vermieter hat es genehmigt.
Die Geranien auf dem Balkon stehen jetzt im Fenster innen, sie sind noch so wunderbar grün und haben noch viel Blüten angesetzt. Tagsüber wird ja nicht geheizt, so denke ich, habe ich etwas länger davon. Die Balkonkästen habe ich mit 50 cm hohen Deckreisig gesteckt, sodaß ich die Autos nur verdeckt sehe, die Abgase nur langsam strömen auf den Balkon und meine Nachbarn die Einsicht in meine Wohnung erschwert wird. Nachdem es 3 Wochen ruhig war, hatten sie wohl gestern wieder mal Besuch, der bis weit über Mitternacht blieb, ich habe Radio gehört und als alles still war, gelesen, heute morgen gegen 7 Uhr war ich munter und will meine Schreibschulden erledigen. Nun wird Mitte November noch beim Nachbarn die Geburtstagsfeier sein, ich hoffe ich überstehe es, werde mir aber Ohrenklappen kaufen und laut Radio hören oder Maschineschreiben, ich will den Jersey-Bericht erstellen. Eine Mordsarbeit, da ich auch die geschichtlichen Hintergründe erwähnen möchte.
Es freut mich sehr, daß Du Dich so gut noch an unsere Fahrten mit Erwin erinnerst. Uns wurde vom Geschichtsverein die Formen der Dörfer erklärt, es ging über Hardegsen nach Fredelsloh, Moringen und was dazwischenliegt.
G.s und Frau K. hatte ich zu Besuch, Frau und Herr M. konnte ichwegen der Heizung noch nicht einladen, folgt. Eine Dichtelesung besuchte ich, die von Der Buchhandlung Deuerlich veranstaltet wird. Der Basar im Wohnstift war eines meiner abendlichen Ziele, dort hörte ich auch einen Vortrag mit Dias vom Leben der Cäsaren, ein interessantes Stück Kulturgeschichte. In der Bibliothek gibt es sehr viel Arbeit weiterhin. Meine Mitarbeiterin hat nächste Woche Urlaub, ihre Eltern haben Silberhochzeit, die wohnen in Bönen, in der Nähe von Hamm/Westfalen. Dafür muß ich 5 Tage eine Referendarin ausbilden und da bin ich voll in Aktion, die tun nämlich nichts, werden nur eingeführt in die vielseitige Tätigkeiten der Dienststelle, mündlich, theoretisch, da werde ich mir wieder den Mund fusselig reden und froh sein, wenn die Stunden vorbei sind. Im Gegensatz zu den Praktikanten, sind das die „Großkopfeten“, die den wissenschaftlichen Dienst anstreben, aber von der Basis nur eine Prise haben wollen. Ausserdem muß ich für unsere Hausmitteilungen unsere Dienststelle „vorstellen“, damit die anderen auch mal wissen, was wir eigentlich so tun und da habe ich mal eine Kostprobe gegeben, die werden sich wundern?!!!!! Daneben fallen immer wieder Sonderaufträge für mich an, ob wir in die Entwicklungsländer tauschen u.ä. aber was als 3.Welt zu bezeichnen ist, steht in keinem Lexikon. –
Die Cousine hat mir zu Erwins Todestag geschrieben, von Bramsche hörte ich nichts, ich habe aber von der Gärtnerei einekleines Gesteck an den Grabsteinlegen lassen. 2 Jahre ruht er nun schon…. Frau B. habe ich doch tatsächlich einen Monat zu früh zum Geburtstag gratuliert, ich werde mich zu Weihnachten deswegen entschuldigen.....

 

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