19.4.75

Liebe Ingrid!
Es darf doch wohl nicht wahr sein !!!!!!!!!!!!!!!
Du hast Dich doch mal aufgerafft, um mir zu schreiben. Wie ich mich gefreut habe kannst Du Dir hoffentlich vorstellen, dazu noch das hübsche Briefpapier. Das heißt, geschrieben hast Du ja schon am 24.3.75 nur, was lange liegt kommt auch ans Ziel. Vielen Dank jedenfalls!
Natürlich ist uns der 1. Mai recht, nur, liebe Ingrid, müßt Ihr diesmal auch wirklich kommen. Kommt recht früh und bringt viel Zeit mit. Wir haben am 2. Mai frei, Ihr auch? Da können wir Boris vorher hinlegen, wenn er müde ist und Ihr braucht nicht allzu früh los. Aber ich habe eine große Bitte. Kommt doch nur zu uns. Du weißt doch wie das ist. Wenn wir dann zu Ekki’s Eltern gehen, macht Mutti erst wieder viel her und bei Tante Hilde genauso, und man kann schlecht nach ein paar Minuten sagen, wir gehen jetzt. Wir können dann mal so richtig in Ruhe plauschen. Am Nachmittag gehen wir dann ein bisschen spazieren und ich zeig Dir so einiges, wenn Du willst. Ich freue mich so riesig auf Euer Kommen. Ich richte mich dann auf alles ein. Jana fragt schon laufend, wann denn der 1.Mai ist und ob Boris auch mitkommt?! Liebe Ingrid, schreibe mir aber doch noch kurz oder schicke ein Telegramm, wenn es nicht zu teuer ist, einfach nur „Kommen um … Uhr“. Aber bitte ein paar Tage früher, denn mit dem Einkaufen, wenn man was bestimmtes haben will muß man sich Zeit lassen. Aber keine Angst, es wird kein Staatsbankett.
Ich habe gestern von Muttis Nachbarin den neuesten Neckermann-Katalog geliehen bekommen. Ach Ingrid, ich habe mal wieder feststellen können, wie wir in manchen Dingen noch hinter dem Mond leben. Vor allen Dingen die Farben bezaubern mich immer wieder, obwohl ich mir denken kann, daß sie in Natura doch einiges verlieren. Am besten man sieht sich sowas erst gar nicht an, trotzdem, wenn man es angeboten bekommt, sagt man nicht nein. Jana hat dort eine Packung Filzstifte gesehen. Die Packung kostete 2.50 M. Könntest Du Ihr sowas mitbringen? Dort sind auch so viele farbenfreudige Kindersachen drin, die aber im Vergleich zu den billigen Kleidern für Erwachsene sehr teuer sind. Auch die Bettwäsche, diese Vielfalt an Farben und Mustern. Ich muß aufhören, sonst höre ich gar nicht auf. Man muß sich eben mit den Gegebenheiten abfinden. Ekki ist heute zum Subbotnik im Betrieb, da bin ich mit Jana allein und habe mir viel vorgenommen. (z.B. Schreiben) Ich kann mir vorstellen, daß es in Amsterdam sehr schön war. Na ja, in 40 Jahren dürfen wir auch!
So, liebe Ingrid! Ich hoffe nur, daß alles klappt und Ihr es Euch nicht anders überlegt. Aber wenn es möglich ist, schreibe vorher kurz oder telegraphiere, damit ich Bescheid weiß. Ich freue mich schon sehr und
verbleibe mit vielen Grüßen
Karin

PS. Grüße auch bitte Boris und Peter von uns allen.