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Brief (Transkript)

Gerhard D. aus Brandenburg/Havel an Bruno W. nach Bochum am 26.02.1990

 

Brandenburg den 26.2.90

Lieber Bruno!

Heute einmal eine Bitte von mir, die sicher Überraschung auslösen wird. Diese Bitte hat folgenden Hintergrund Die Fa. aus Duisburg möchte so schnell wie möglich ca 4000m² Land von uns kaufen, um auf diesem Gelände eine Aufbereitungsanlage zu errichten, die Industrieabfälle und Abfallprodukte zu brennbaren Material verarbeitet.
Da wir in der Vergangenheit keine solche Problematik zu bearbeiten hatten und hier weder Makler noch Anwälte mit entsprechender Erfahrung greifbar sind, ergeben sich für mich folgende Fragen
- Handelt es sich bei dieser Firma um einen seriösen Betrieb der auch bei Euch kreditwürdig ware und nicht auf einer „schwarzen Liste“ steht
- Wieviel Pacht bzw. Miete müßte ein adaquater Betrieb bei Euch für einen Quadratmeter im Durchschnitt bezahlen.
Hierzu zusätzliche Angaben:
Dieses Grundstück möchte der Betrieb gerne kaufen, was wir zur Zeit wegen fehlender Gesetze und Vorschriften nicht können. Eine langjährige Verpachtung mit einem eingetragenen gewährten Verkaufsrecht wäre daher denkbar. Das Grundstück selbst ist für einen Industriebetrieb sehr günstig. Es liegt unmittelbar am Ufer des Silokanals gegenüber dem alten Stahl- und Walzwerk. Eine Beeinträchtigung von Wohngebieten ist mit Sicherheit nicht schlimmer als vom Stahl- und Walzwerk hervorgerufen wird. Ein Bahnanschluß ist mit geringem Aufwand (nur ca 100m Gleis von unserer Anschlußbahn sind neu zu verlegen) denkbar günstig zu errichten. Uns selbst würde die Errichtung in keiner Weise berühren, weil es unmittelbar neben unseren Rieselfeldern liegt und es hier sogar gewisse denkbare Berührungspunkte und gemeinsame Interessen gibt
- Was würde unter Euren Bedingungen ein Quadratmeter Boden kosten? Dies wurde für uns zur Debatte stehen, wenn nach dem 18.3 völlig andere gesetzliche Grundlagen vorhanden sind.
Lieber Bruno, ich hoffe, daß Du mir diese Fragen nicht übel nimmst und ich Dich nicht überfordere bzw. Dinge von Dir verlange, die Dir Mühe und Arbeit machen.
Ich selbst hätte angerufen, doch dies ist sinnlos, bereits zu Deinem Geburtstag ist der Versuch fehlgeschlagen. Um das angemeldete Gespräch um 23.00 Uhr abzumelden, habe ich allein eine halbe Stunde benötigt um das Fernamt zu bekommen! Wenn das besser werden soll muß Schwarz-Schilling noch mehr vorschießen als bisher.
Übrigens die Zeit drängt. Der Betrieb will noch vor dem 18.3 alles unter Dach und Fach haben. Dies ruft bei mir Skepsis hervor!
Heute ist Henry von seiner Reise wieder eingetroffen. Im Augenblick ist er von der 12-stündigen Bahnfahrt noch sehr mitgenommen und dementsprechend wortkarg.
Von Thorsten und Carsten gibt es nichts Neues. Vor einer Woche hat leider so eine superschlaue Vertreterin vom Neuen Forum am „Runden Tisch“ den Antrag eingebracht, sofort die Subventionen für Lebensmittel zu streichen und dafür jedem DDR-Bürger 150,- M mer zum Bruttolohn zu zahlen. Dies hat dann hier unter der Bevölkerung zu den Hamstereinkäufen bei Zucker, Salz, Mehl usw. geführt, ohne daß es tatsächlich zur Preiserhöhung gekommen ist. Trotzdem ist es für mich überraschend, daß nach wenigen Tagen alle Grundnahrungsmittel wieder vorhanden sind. So schlecht wie Telschick unsere Wirtschaft macht, so schlecht sind wir also doch nicht.
Wie immer herzliche Grüße an Euch alle aus Brandenburg

Euer Gerhard und Ilse

 

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