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Brief (Transkript)

Bruder an R. B. am 29.12.1940 (3.2002.7227)

 

Osterkappeln, den 29. Dezember 1940



Lieber R.!

Heute ist Sonntag. Es ist der letzte Sonntag in diesem Jahr. Draußen stürmt und regnet es. Der Schnee, der Weihnachten eine festliche Stimmung gab, ist zu Wasser geworden. Am „Heiligen Abend“ erhielten wir Deinen Brief mit den Bildern. Mutter war enttäuscht, daß Du nicht an ihren Geburtstag gedacht hast. Sie hat geweint. Vom Trinken mußt Du nie mehr etwas schreiben; Mutter meint dann gleich immer das Schlimmste. Gestern haben wir Deinen Brief erhalten, in dem Du Mutter zum Geburtstag beglückwünscht hast. Wir danken auch vielmals dafür. Weihnachten haben wir gut überstanden. Vater und ich waren am Abend in der Christmesse. Steinmetz hat gepredigt. Er fing bei den Juden an. Du kennst das ja auch. Dann war bei uns die Bescherung. Am Tannenbaum hingen nur W H W – Plaketten, und weiße Lichter brannten drauf. Jeder packte gleich seine Sachen aus; denn zum Singen hatte niemand Meinung. Von Vater bekam ich ein Buch „Hermann Göring“. Mutter schenkte mir ein Photoalbum und ein Tagebuch. Ich hatte mir ein Päckchen mit dem Jahrbuch der Hitlerjugend gekauft. Was Vater und Mutter von mir bekamen, weißt Du. Sie haben sich beide ganz riesig gefreut. Mutter gefiel das Geschirr ganz großartig. Oma erfreute sich an den handelsüblichen Geschenken. Br Wein usw., den ganze n Abend haben wir erzählt und gelesen. Es war sehr schön.
Am nächsten Morgen war ich enttäuscht; denn ich hatte mit Schnee gerechnet. Schnee war zwar da; aber zum Skifahrn zu wenig. An beiden Tagen steckten wir abends den Baum an. Oma hat viel erzählt. Sie kann schön und ausführlich berichten.
Am 2. Weihnachtstag hatten die Pimpfe bei Bretholt einen Elternabend. Vater und Mutter waren auch da. Der Saal war „proppenvoll“. Und ... schön war’s auch.
Im nächsten Jahr werde ich auch wohl Soldat. In Osnabrück haben schon Jungen von meinem Jahrgang Stellungsbefehl zum 5. Januar 1941. Ich bin auch auf alles gefaßt. Auf dem OKD arbeite ich jetzt in einer großen Dreherei. Arbeiten kann ich es eigentlich nicht nennen. Bisher schrieb ich: zusehen und handlangen. Eigentlich hatte ich mir eben vorgenommen, ein Saalflugmodell von 3 bis 4 Gramm zu basteln.
Aber schreiben liegt mir besser. Wenn Du noch hier wärst, wäre das Modell sicher längst fertig. Es soll einige Minuten fliegen. Ich lasse Plan und Werkstoff noch liegen für später.
In Osterkappeln ist alles beim Alten.6 Männer mussten sich wieder zum Heeresdienst stellen.
Mutter zeigt sich einmal wieder als Pessimist. Ich sage: immer nur lächeln, immer vergnügt..!
Hast Du eben das Lied auch im Wunschkonzert gehört? Wünscht Euch auch was, dann hören wir Deinen Stamm vielleicht auch im Radio.
Zum Neujahr wünschen wir Dir alles Gute, vor allem eine gute Gesundheit und frischen Mut.
Recht viele Grüße
Fitten

 

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