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Brief (Transkript)

R. B. an seine Eltern am 5.12.1940 (3.2002.7227)

 

Im Osten, den 5. Dez. 1940


Meine Lieben!

Recht herzliche Adventsgrüße am Nikolausabend sendet Euch Euer Pionier aus einem Barackenlager an der Warthe.
Es macht sich so etwas wie Weihnachtsstimmung bemerkbar. Wir haben uns einen schönen Adventskranz gebaut, der jetzt die Balkendecke unserer Stube schmückt. Doch fehlen ihm noch die Lichter, die hier in der Stadt nicht aufzutreiben sind. Draußen schneit es augenblicklich ganz nett und da es in der letzten Woche ganz anständig gefroren hat, ist zu erwarten, daß sich das weiße Element nun auf der polnischen Erde hält.
In unserer Bude herrscht jetzt eine Bullenhitze. Der kleine Ofen brennt vorzüglich, ja so sehr, daß es ab und zu notwendig ist, die Fenster zu öffnen, um Zigarettenqualm und Hitze raus zu befördern. Sonst kommt man hier um. Die Stadt ist ab sieben Uhr verdunkelt, obschon nichts von feindlicher Fliegertätigkeit gemerkt wird. Das wird auch wohl seine besonderen Gründe haben. In unserer letzten Unterkunft hatten wir da keine Last mit dieser Sache, die Euch zur Selbstverständlichkeit geworden ist.
Bei dem grandiosen Umzug aus Sompolno hatten wir so kleine hundert Juden beschäftigt, die unter unserer Leitung die Kaserne ausräumten und das Inventar anschließend auf einen langen Güterzug luden, wie ich das Bimmelbähnchen wohl nur selten gesehen habe. Den letzten Abend, vielmehr die Nacht habe ich auf dem Bahnhof Wache geschoben. Mit einem Leipziger bin ich 2 x 2 Stunden rumgeschlendert. Der Wind pfiff ganz nett u. es war schön kühl. Das ist nun schon über eine Woche her. Auch hier werden die Juden wieder zu allerhand Diensten herangezogen. In der Küche helfen wie drüben Judenweiber u. die schlappen, krummen Kerls verrichten Handlangerdienste. Nun zurück zu Euch! Das Päckchen ist angelangt, recht vielen Dank, besonders an Oma und für Mutters lieben Brief. Es hat mich sehr gefreut.
Wie geht’s mir? Gut
Mit Weihnachtsurlaub wird’s nichts!
Euch alles Gute wünschend grüßt herzlich R.

 

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