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Brief (Transkript)

R. B. an seine Eltern am 11.9.1943 (3.2002.7227)

 

11. September 1943
19. September erh.



Liebe Eltern!

Es ist sehr früher Morgen. Ihr werdet gewiß ganz fest schlafen, d. h. wenn die bösen
Ruhestörer in der Luft, Euch den Schlaf nicht verleiden. Ich habe Wache. Mein Wachlokal ist das Büro einer großen Fabrik. Das Inventar hat sich für ein derartiges Zimmer durch M. P. und Handgranaten, die neben mir auf dem Schreibtisch liegen etwas ungewöhnlich vermehrt. Da ich jetzt hier Schreibzeug vorfand, will ich Euch einige Grüße senden, denn ich weiß nicht, ob sich in den nächsten Tagen dazu wieder so eine günstige Gelegenheit bietet.
Den 14 Urlaubstagen haben sich längst weiter 14 Tage angereiht. In diesen Tagen habe ich nun so allerhand gesehen und erlebt. Bei der Rückfahrt von Hannover nach München war für mich die Strecke Kassel, Fulda, Würzburg und etwas darüber hinaus besonders interessant, da ich damals mit Franz-Josef Niemeyer die halbe Strecke mit dem Rad abgefahren bin. Auch München hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ist nämlich gar nicht verkehrt, wenn man so eine Stadt schon etwas kennt. Fliegeralarm hatten wir die Tage nicht, so daß wir uns stets richtig vor dem Bummeln ausschlafen konnten. Ich wäre noch gerne einige Tage länger in der Hauptstadt der Bewegung geblieben, aber eher wie erwartet ging es ab in Richtung Brenner. Aufrichtig habe ich es bedauert, daß wir die Strecke über Innsbruck nachts fahren mußten. Ich hätte mir die Gegend mal gern angesehen. Von Italien war ich gleich enttäuscht, obschon ich mir von vornherein nicht zuviel unter der landschaftlichen Schönheit vorgestellt hatte.
Die Berge waren nur kümmerlich bewachsen, auch schon in geringen Höhen. Das gibt der Landschaft einen müden, kümmerlichen Ausdruck. Die großen Flussbetten waren bis auf ganz kleine Rillen ausgetrocknet. Aber in den Tälern und auf kleinen Höfen da rankt Wein mit einer überlastenen Menge köstlicher Trauben. Davon haben wir nun reichlich genossen. Ich hatte nun bei längeren Aufenthalten, die durch mehrmaliges Umsteigen entstanden, Gelegenheit, mir das Leben in den Städten anzusehen. Man hatte hier von vornherein den Eindruck, daß das Volk kriegsmüde war und sich gar nichts daraus machte, daß Teile des Landes vom Feind besetzt sind. Nun haben wir die Klarheit. Für uns ist das so bestimmt besser. Da braucht man nicht mehr bitten, sondern nun bestimmt die deutsche Wehrmacht. Der Führer hat die Lage wohl klar herausgestellt in seiner gestrigen Rede. Wir sind in den letzten Tagen, weiß u. farbig wie die Mehlwürmer, die serpentinenreichen Straßen des Gebirges auf- u abgefahren und befinden uns jetzt in einem ganz netten Tal, in dem viel Wein angebaut ist. Mit unserer Verpflegung steht es zur Zeit sehr gut. Mir geht es auch gut und ich würde mich freuen, bald von Euch das Gleiche zu hören. Es wünscht Euch alles Gute und grüßt herzlich
Euer R.

 

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