Osten, den 12. Dez. 1940

Lieber Friedrich!

Gestern Mittag erhielt ich Deinen lieben Brief und hatte ihn um 22 Uhr bereits gelesen; denn eher war keine Zeit dazu. Vielen Dank dafür. In der letzten Zeit ging es hier ganz frisch rund und da war nicht viel Zeit zum Schreiben. Wir hatten Gemeinschaftsempfang bei der Führerrede, dabei lobte der Führer die Wehrmacht mit den Worten: „Ihr seid die besten Soldaten der Welt.“ Dies sollte uns teuer zu steh’n kommen. Beim Antreten wurde uns dieser Spruch wieder vom Spieß vorgehalten und schon begann der Zauber. Erst 1 1/2 Stunde schwenken mit Gewehr die ganze Zeit natürlich nur im Laufschritt, anschließend noch über die Hindernisbahn. Als Einlage: Hinlegen u Hocken mit Gewehr in Verhalten. Obschon es fror, habe ich lange nicht so geschwitzt; wie wir auf die Bude rückten, haben wir einen förmlichen Schweinestall. Die Betten waren ausgeräumt, ja sogar das Stroh aus den Strohsäcken geschüttet. Alles lag wild durcheinander. In 20 Min. mußten wir dann in frisch gewaschenem Drillig stehen. Also schnell umziehen und schrubben. Wieder Appell! Nun wurde die Stube vollständig ausgeräumt und alles gewaschen u gescheuert. Abends beim Zapfen war alles fertig. Vor ein paar Tagen habe ich mal beim Floßsackdienst in der Warthe gebadet, es hat aber keine bösen Folgen hinterlassen. Du wirst ja nun auch wohl bald Soldat. Na, viel Spaß. Wie lange willst Du denn dabei bleiben? Du hast Dich doch wohl nicht gleich für 12 Jahre verpflichtet? Für mich habt Ihr einen Mantel gekauft, macht doch keine Witze! Was soll ich denn damit, ich werde doch bei der Wehrmacht bekleidet u. beköstigt, letztes ist hier nicht schlecht. Das Päckchen 6 ist noch nicht hier. Diesen Brief habe ich beim Kerzenschein gekritzelt, es hört sich etwas romantisch an, aber es ist so.
Mir geht’s sonst gut bei der Kälte.
Es grüßt Dein R.!
Auch vielmals alle andern im Hause.
Schickt mir bitte meine Handschuhe mit.