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Brief (Transkript)

H. D. an seine Ehefrau am 1.9.1941 (3.2002.0280)

 

1. IX. 41



Mein liebstes Schmuserchen!

Jetzt komme ich zu dem heute Vormittag versprochenen Brief. Wie ging es Dir am heutigen Tage? Bist Du noch schön gesund? Von dem was Du in Deinem Brief v. 19. VIII. schreibst (Blutungen verbunden mit heftigen Schmerzen), hast Du aber bisher nichts vermerken lassen. Ich war ja nicht wenig erschrocken, als ich das las. Da hat der Doktor ja nun recht, daß er Dich zu sich holt. Am 19. war Kleinchen also noch nicht da. Aber weißt Du, daß ich Deine Post vom 19. schon habe, ist eine besondere Freude. Denn jetzt kann doch auch jeden Tag die Nachricht kommen von der Geburt. Und vielleicht bekommt das Telegramm sogar 1-2 Tage Vorsprung vor der den gewöhnlichen Briefen. Nur womit feiere ich dann hier das ganz große Ereignis? Wie ich schon mal schrieb, ich verdrücke mich, daß ich allein bin und dann kann ich so mit all meinen Gedanken bei Dir sein. Was spricht schon aus Deinem Brief v. 19. für eine große Freude u. ein Glück über die Ankunft Kleinchens u. wie tapfer klingt da jedes Deiner Worte, obwohl Dir doch Deine schwere Stunde da unmittelbar bevorstand. Hätte ich Dich nach dem Lesen dieser Deiner Zeilen bei gehabt, ich hätte Dich einfach in meine Arme nehmen u. ganz fest an mich drücken müssen. Was bin ich stolz auf Dich. Ich habe Dir ganz fest gewünscht, daß Kleinchen, wenn es sich endgültig anschickt zu uns zu kommen, dabei sich möglichst beeilt und seiner Mutti möglichst wenig Schmerzen bereitet. Wie ist es denn mit den Blutungen geworden? Haben sie nachgelassen in der Klinik? Und sind sie auch bei der Geburt nicht etwa gar in verstärktem Maße eingetreten? Gelt, Schatzel, ich habe Dich in meinem letzten Briefchen schon halb tot gefragt. Aber gelt, Du kannst Dich so ein bißchen meine Lage reindenken. Wenn ich ja erst mal Bescheid weiß, ist alles besser. Du Schatzel, heute habe ich gar keine Post. Aber dafür ist die Aussicht umso größer, daß morgen eine Nachricht von Dir kommt. Heute war aus der ganzen Frankfurter Ecke nichts dabei. Mir geht es noch gut. Ich bin gesund und munter. Heute früh habe ich einen, ich muß schon sagen, sehr schönen Morgen verlebt. Als ich wach wurde, hieß es „Feldgottesdienst“. Da bin ich mit einer Anzahl Männern hin. Es war dies eine herrliche Stunde nach all diesen Wochen des Erdrückenden und Unschönen. Ich bin auch zur Kommunion, d.h. Abendmahle gegangen u. war auch so meinem Gott nahe. Ganz inständig habe ich ihn für dich um einen seinen Schutz u. seine Hilfe gebeten, daß er Dich vor allem ganz gesund erhält u. Kleinchen auch. Ich war hinterher innerlich so richtig erfrischt. Feldgottesdienst in dem glaubenslosen Rußland in dem die Kirchen Ställe, Getreideläger etc. sind. Schon das ist der Ausgangspunkt von vielen Gedanken. – Heute, d.h. morgen früh geht auch ein Päckchen an Dich ab u. zwar mein Koffer. Ich habe mal „ausgemistet“ und mal wieder all das zusammengepackt, was ich doch nicht brauche. Da ist der Koffer voll geworden. Hoffentlich kommt er gut daheim an. Der Koffer bleibt natürlich auch daheim. Etwas für Dich, ein ganz kleines Etwas, ist auch in dem Koffer. Mußt mal suchen. Es liegt in der Kragenschachtel. Kannst Du die alten Handschuhe noch beim Putzen verwenden. Sonst wirf sie weg. Wie ich Dich kenne, wünsche ich Dir beim Auspacken viel Spaß. Hoffentlich treibt sich der Koffer nicht zu lange im Gelände herum. Den Schlüssel schicke ich Dir in einem Einschr. Briefe._ Hoffentlich kommt er vor dem Koffer an. Sollte er überhaupt nicht kommen, habe ich noch einen zweiten Schlüssel hier. – Bleibe recht schön gesund. Und Kleinchen natürlich auch. An Mutti viele Grüße. Es grüßt Dich auf’s allerinnigste Dein H.

_ Ich gebe den Koffer nämlich einem Wagen mit, der mal zurück fährt. Und der nimmt auch den Brief mit dem Schlüssel mit.

 

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