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Brief (Transkript)

H. D. an seine Ehefrau am 13.11.1941 (3.2002.0280)

 

13. XI. 41.



Mein kleines Schmuserchen!

Wie geht es denn meinem kleinen Muttilein? Hast Du tüchtig Fortschritte gemacht auf dem Wege Deiner Gesundung? Nützt denn mein Daumenhalten überhaupt was? Ich will es doch stark annehmen. Und das kleine Kerlchen? Wächst es tüchtig? – Mir geht es noch gut. Ich bin mit meinem Haufen ein Stück weiter gezogen. Habe aber eine ganz gute Unterkunft erwischt . Die Leutchen haben ein kleines Mädchen von 2 Jahren, ein wirklich gut aussehendes reizendes Kind (wäre es, wenn es jeden Tag ein paar mal gewaschen u. nach unseren Begriffen angezogen würde). Das kleine Würmchen läuft nur barfuß auf dem gestampften Lehm-Fußboden herum, und dabei ist es draußen so kalt seit gestern, daß es knackt. Es fühlt sich aber offensichtlich gut dabei. Wir haben den Leutchen hier schon mal so Photografien gezeigt von daheim mit Häusern drauf und „angezogenen“ Menschen; da betrachten sie die Bilder immer wie Dinge aus einer anderen Welt. Vorhin habe ich gerade der Mutter von der Kleinen mal Dein Bild gezeigt, da ist sie ganz still geworden vor Ehrfurcht. Überhaupt war das erste, das sie wissen wollten, als sie meinen Ring sahen, ob ich eine „Madamme“ hätte. Der eine von den beiden Uffz. hat auch einen Ring, also auch eine „Madamme“. Dann wollte sie wissen, ob ich auch schon ein Kind hätte (sie zeigte auf ihr kleines). Da habe ich eifrig „da, da“ gesagt u. dabei mit den Händen gezeigt, daß meines aber noch kleiner sein. Glaubst Du, Schatzeli, Du kannst Dir keinen Begriff machen, unter was für Verhältnissen die Menschen hier leben. Passe mal auf! Du stehst vor der Haustür meiner Bude. Zuerst kommst Du in den Vorraum: Inventar = zwei Kühe, 1 Kalb, 1 Schaf, 1 Ferkel, 1 Zuchtsau mit 4 Jungen, 15 Hühner, u. alles Kraut u. Rüben durcheinander auf kleinstem Raum. Außerdem stehen drinnen auch noch so ein paar Kisten, in 1 Ecke ein bis an die Decke reichernder Haufen Brennmaterial = mit Stroh gemischter u. getrockneter Kuhmist. Wenn Du also in meine „Halle“ eintrittst, mußt Du Dich schön winden zwischen Kuhschwänzen etc. hindurch. Insbesondere bei Dunkelheit ist Vorsicht geboten, denn sonst trittst Du dem Ferkel oder dem Schaf auf die Zehen oder landest sonstwo auf etwas “weichem“. Wie Du siehst, habe ich trotz Krieg u. marschieren die Verbundenheit mit dem „Lande“ noch nicht verloren. Aber glaubst Du, daß man durch den Stall in die Wohnung kommt, das ist einem hier schon so selbstverständlich wie daheim das elektrische Licht. – Jetzt komme ich aber schnell zu Dir. Ganz fest nehme ich Dich in meine Arme u. küsse Dich solange, bis Du nicht mehr magst. Bleibe mir, recht schön gesund, mein kleines Lieb. Für klein Elmar einen innigen Kuß. Die herzlichsten und meisten Küsse aber für Dich, mein liebes Frauchen, von
Deinem H.

 

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