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Brief (Transkript)

H. D. an seine Ehefrau am 20.10.1942 (3.2002.0280)

 

20.X.42.



Mein herziges, kleines Lieb!

Es geht ein Tag – nein – nicht wie der andere, sondern wie im Fluge u. ohne daß man ihn bewußt erlebt. Man erlebt ihn nur als „Uhrzeit“, merkt seinen Ablauf am Uhrenvergleich. In Gedanken bin ich aber trotzdem den ganzen Tag über bei Dir u. halte Dich in meiner Nähe. Ich brauche Dich ja jetzt mehr denn je. Denn ich ich brauche Deine Nähe, Deine Stärke u. Zuversicht, ich brauche eben mein goldiges Lieb ganz so wie es ist, in seiner ganzen fraulichen Frische, mit seinem Lebensmut u. seiner Lebensfreude. Wie geht es Dir denn, Liebste? Bist Du auch schön gesund u. munter? Ich male mir so oft, d.h. immer u. immer wieder all die schönen Stunden u. Bilder aus meinem Urlaub, wo ich so ganz in Deiner Gegenwart aufgehen konnte. Es ist gut, daß ich all diese herrlich schönen Erinnerungen habe u. sie nur mit einem zu teilen brauche, mit Dir, meinem süßen Frauchen. Kannst Du Dir vorstellen, was bei unserem Leben in Erdlöchern hier schon allein der Gedanke an Dich u. Deine Umgebung für mich bedeutet? Und um Dich u. unseren Bub zu erhalten, deshalb stehe ich hier. Wenn ich mir dann die nun schon seit Wochen brennende Stadt betrachte, dann denke ich an Dich u. bin froh, daß ich mithelfen durfte, solches Geschehen von Dir, Bübchen wie überhaupt von Euch allen daheim abzuhalten. Ganz dankbar werde ich dann dem Himmel, der bisher so schützend seine Hand über uns hielt u. meine ständige Bitte an ihn ist, Dich und Bübchen auch künftighin in seine gute Obhut zu nehmen. Was macht denn der kleine Schlingel? Jetzt läuft er doch sicher schon „perfekt“ der Mami überallhin nach? Wie reizend habe ich Deine Schilderung empfunden davon, wie er den ersten Brief an den Kasten trägt. Ich freue mich richtig auf den „Zerknautschten“ der so die äußerlich sichtbaren Zeichen seiner Patschhändchen trägt. Was werde ich stolz sein, wenn ich mal wieder mit Dir u. Bübchen durch die Stadt gehen darf. Aber noch viel schöner ist es ja daheim. „Daheim“ wie das klingt! Ich kann mich berauschen an diesem Wort. Umfaßt es doch Dich, Klein-Elmar, kurz alles, was mir Inhalt u. Zweck meines Lebens ist. Dieses Wort hüllt einen schon ganz warm ein, wie unvergleichlich schöner ist dann erst die Wirklichkeit. Wenn ich Dich jetzt vor mir sehe in Deinem weißen Abendkleid, dann sage ich „Gott sei Dank, irgendwo ist es ganz unsagbar schön, u. das ist daheim. – Du willst wissen, wie es mir geht! Ich noch, Gott sei Dank, gesund u. munter. Und alles andere geht auch herum. Ich habe ja Dich, mein Frauchen, mein Lieb, das auf mich wartet, das mein ganzes Glück ist. Und in unserem ersten Wiedersehenskuß versinken alle Stunden u. Tage unseres Getrenntseins u. wir finden uns wieder in der Gegenwart u. für die Zukunft, erfüllt von dem Bewußtsein, unsere Pflicht bis zum Äußersten getan zu haben. Und nun schlafe schön, mein Lieb. Gib Klein-Elmar einen innigen Gute-Nachtkuß. Ich rolle mich jetzt in meine Decke. In meinem Loch schläft es ich auch. In Gedanken u. im Traum komme ich ja doch zu Dir. Da ist es so mollig u. warm. Es gibt Dir einen innigen Gute-Nachtkuß u. noch viele viele innige heiße Küsse dazu
Dein H.

 

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