E.O. den 12.6.44

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Meine liebe Maus!

Seit 6 Tagen tobt nun der Kampf u. ich konnte mit dem besten Willen keinen Brief an Dich schreiben u. auch abschicken. Doch heute muß es gehen, damit Du wenigstens beruhigt bist.
Man kann wohl sagen, wir stecken im Dreck. Maus, es war die reinste Hölle, furchtbare Angriffe des Gegners mit einer ungeheuren Menge an Material. Manchmal sah man wirklich die letzte Stunde gekommen. Doch die Hauptsache, ich bin unverletzt, nur den Fuß verstaucht. Eines steht fest, dieser Kampf ist ungleich härter u. schwerer wie im Osten. Doch brauchst Dir um mich keine Sorgen machen, ich hatte bis jetzt Glück (oft ein richtiges Sau-Glück!) u. werde es auch hoffentlich noch weiter haben.
Nur eines bedrückt mich, Maus, ich habe nun seit 14 Tagen keinerlei Nachricht von zu hause, weiß nicht, was los ist usw. Schreibe doch bitte wenigstens Du öfters, denn es gehen halt viele Briefe verloren bis zu unserer Linie. Und das ist doch das einzige, was uns momentan aufrecht hält!
Wir hatten während dieser Tage auch ganz nette Erlebnisse. So kamen wir in eine Ortschaft ebenfalls im Kampfgebiet u. blieben hier einige Stunden. Natürlich stöberten wir herum u. fanden auch einen alten Weinkeller vor. Da lachte einem das Herz im Leibe, solche Tropfen sind für gewöhnliche Sterbliche unerschwingbar. Es folgte bei uns eine Orgie mit: Kognac von 1864, Sekt von 1922 also lauter „Tropfen“. Dazu hatten wir Sahne u. Eier, das alles da herum lag, da ja alle Leute geflüchtet waren. Kannst Du Dir vorstellen, was da mal wieder los war, überhaupt auf alle Strapazen.
So wird man auch ab u. zu aufgemuntert, obwohl es ist eine elende Nervenprobe. Nun glaube ich, daß Du wieder beruhigt bist, wir lassen uns nicht unterkriegen, das haben wir ihm auch bei seinen Angriffen gezeigt, die er blutig bezahlen mußte.
Lasse nun ja oft etwas von Dir hören u. sei recht herzlich gegrüßt u. geküßt
von Deinem Wolf