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Brief (Transkript)

Tante an Wolfgang Müller am 11.1.1944 (3.2002.0238)

 

Mannheim, den 11 Jan. 1944



Mein lieber Wolfgang!

Ich habe nun allerhand Briefschulden bei Dir. Da waren Deine lieben Karten zu Weihnachten und Neujahr, die den Kindern viel Spasss machten und dann Dein Brif vom 22. Dez. nach Welzheim. Heute brachte mir Deine Mutter das Fett und die Wolle und ich danke Dir ganz besonders herzlich für diese Besorgung.
Durch unseren Aufenthalt in Welzheim sind die beiden schweren Tagesangriffe uns erspart geblieben. Unser Geschäftshaus wurde durch Bomben getroffen, der Brand konnte aber eingedämmt werde sodass wir in der Arbeit nicht behindert sind. Wie lange, daß weiss natürlich niemand. Wir stehen hier ebenso an der Front, wie unsere Soldaten und müssen unser Schicksal wie diese hinnehmen. An die Frauen ging nun nochmals der eindringlichste Aufruf zum Verlassen der Stadt, da man mit weiteren Terrorangriffen rechnet. Es wäre gut, wenn sich für Else eine Möglichkeit fände, von hier wegzugehen, dennn dieser fortgesetzten Todesbedrohung sind wir nervlich und körperlich auf die Dauer nicht gewachsen. Wie oft sind wir nun schon um unser Leben gerannt, wenn der Alarm zu spät kam, sodass wir den Bunker noch nicht erreicht hatten, als bereits die ersten Bomben fielen und das Flakfeuer einsetzte! Es ist ein grausames Dasein und es bedarf sehr viel Kraft, dies alles tapfer zu ertragen, um die Zukunft unserer Kinder zu sichern.
Wegen Deines Urlaubes sprach ich auch mit Deiner Mutter. Ich kann Euch Beide verstehen, Else möchte Dich nicht hier in dieser Gefahr wissen, zumal Du bei Angriffen wahrscheinlich sofort zu Hilfsmassnahmen eingesetzt würdest. Aber auch, dass Du nicht in ein kleines stilles Landstädtchen möchtest, wo ausser dem guten Essen und sehr netten Spaziergängen keinerlei Anregung gegeben ist, verstehe ich gut. Ich habe Else den Vorschlag gemacht, mit Dir auf 10 Tage nach Baden-Baden zu gehen, dort hättet ihr alles beisammen, die schöne Umgebung und vielerlei Abwechslung durch Kino, Theater und Cafes, nicht zu vergessen den Spielsaal!!! Frau Müller, die Mutter Fredys ist seit längerem dort, ihr habe ich heute geschrieben, ob sie eine nette Unterkunft für Euch wüsste.
Wir werden uns bei Deinem Kommen ja sicherlich sehen, allerdings wirst Du erschüttert sein, unsere beiden blühenden Städte nun als Trümmerhaufen wiederzufinden. Es ist schade, dass Else Dir versehentlich nicht geschrieben hatte, dass ich schon seit August um Besorgung eines braunen Hutstumpen gebeten hatte. Ich war ganz erstaunt, dass sie für Frau Greiner zwei Hüte dabei hatte und da stellte es sich dann heraus, da sie vollkommen vergessen hatte, Dir darüber zu schreiben. Nun wird ja nichts mehr zu machen sein, aber sollte einmal eine Lockerung kommen, in der Form, dass man vielleicht wieder Geld an Dich schicken kann, dann denke doch bitte daran. Hüte gibt es hier nähmlich nur auf sogen."Fliegerschecks".
Nun wünsche ich Dir weiterhin eine gute Zeit und freue mich, Dich bald wiederzusehen, das Gebäck habe ich wie versprochen für Dich aufgehoben.
Recht liebe Grüsse auch von Hans

Deine Tante Erna

 

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