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Brief (Transkript)

Angelika W. aus Leipzig an Gerlinde B. nach Bechhofen am 24.10.1977

 

Leipzig, am 24.10.1977

Hallo, liebe Gerlinde!

Als ich am Wochenende nach Hause kam, fand ich Deinen lieben Brief vor, für den ich mich recht herzlich bedanken möchte. Ich hatte schon darauf gewartet. Nun möchte ich aber auch mich erst einmal kurz vorstellen. Wie Du schon weißt, bin ich zur Zeit 18 Jahre alt. Aber leider nicht mehr lange, denn am 31.Oktober werde ich schon wieder ein Jahr älter. Von Beruf bin ich Studentin. Vor einem Jahr bewarb ich mich hier als Dolmetscherin und wurde auch angenommen. Zuvor habe ich die EOS besucht, die mit der Reifeprüfung abschloß. Meine Hobbies sind Knüpfen, Musik und Briefe schreiben. Ich höre gerne Tagesschlager (Kenny, Bay City Rollers, Roy Black usw.) aber auch Orgelmusik, z.B. Bach. Fast jedes Jahr war ich zu Rüstzeiten und dadurch habe ich auch Briefwechsel mit vielen Bekannten. Ach, ich sammle auch noch Ansichtskarten und Poster. Genau wie Du wurde ich christlich erzogen und konfirmiert. Zu einer Silvesterrüste habe ich mich dann bekehrt und lebe nun auch von Christus geführt. Aber so einfach ist das nicht immer. Meine Traumvorstellung war es immer, Dolmetscherin zu werden und ich habe mich wirklich riesig gefreut, als ich nicht durch die Aufnahmeprüfung gefallen bin. Als ich nun aber dieses Jahr hier anfing, wurden plötzlich viele Anforderungen gestellt, die ich überhaupt nicht erfüllen kann. Ich mache Russisch-Bulgarisch und müßte dann auch nach meinem Studium noch drei Jahre im Ausland arbeiten, denn dazu mußte ich mich schon bevor ich überhaupt hier angenommen war, verpflichten. Nun habe ich meine Exmatrikulation eingereicht und werde am 31. Oktober hier aufhören. Ich wußte überhaupt nicht richtig, was ich danach machen sollte. Als ich dann aber vor zwei Wochen nach Hause kam, war ein Brief von meiner Freundin da. Sie schrieb mir, daß in ihrer Seminargruppe noch zwei freie Stellen sind und daß ich es doch einmal versuchen sollte. Das habe ich dann auch getan, und es wird höchstwahrscheinlich auch klappen, wenn in meiner Kaderakte nichts Belastendes steht. Leicht wird es bestimmt nicht werden, denn ich muß zwei Monate nachholen, wenn es klappen soll.
Du hast mir geschrieben, daß Du in einem Textilgeschäft arbeitest, d.h. lernst. Was mußt Du dann da alles machen? Kannst Du jeden Tag nach Hause oder wohnst Du auch im Internat? Und wann hast Du Geburtstag?! Schreibe es mir bitte.
Am vergangenen Wochenende war ich in Annaberg, einer Stadt, nicht weit von meinem Heimatort entfernt. Dort fand der Jugendtag des Dresdener Distriktes von der Evangelisch-methodistischen Kirche statt. Das Thema war „Leben suchen, Leben finden“. Der Jugendtag begann am Sonnabend 16.00 Uhr. Bis 17.00 Uhr spielte eine Band „Joy-singers“ und wir konnten mitsingen und mitklatschen. Um 17.00 Uhr ging es dann richtig los. Wir sahen Lichtbilder und hörten dazu das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Danach wurden Zettel ausgeteilt und jeder sollte seinen Herzenswunsch darauf malen. Einige beklebten die Buchstaben LEBEN mit Bildern. Danach gingen wir alle in unsere Quartiere. Ich schlief bei meiner Tante. Aber so einfach wollten wir nicht auseinandergehen und so trafen wir uns zu einer Nachtwanderung. Der Sonntag begann 10.00 Uhr mit einem Gottesdienst mit der Gemeinde. Am Sonntag spielte eine andere Band. Um 11.30 war dann die Stunde der Begegnung mit Gästen aus Polen, Hamburg, Informationen und musikalischen Darbietungen. So stellte der Sänger der Schneeberger Band zwei neue Lieder vor, die er selbst verfaßt hatte. Dann folgte wieder eine Pause (dazwischen waren auch schon welche zum Mittagessen usw.) und dann folgten humoristische Beiträge (Anspiele, lustige Lieder über das Christsein). Anschließend war eine halbe Stunde klassische Musik und dann schloß der Jugendtag mit einem Abendmahlsgottesdienst. Leider mußte ich schon nach den humoristischen Beiträgen gehen, denn ich mußte ja heute früh wieder hierher nach Leipzig und da hatte ich noch so allerhand zusammenzupacken. Bei uns in der Jugendgruppe zu Hause sind wir nicht allzu viele Jugendliche und da tut es gut, einmal in so einem großen Kreis zusammenzukommen. Es waren ungefähr 400 Mann. Bevor ich hier in Leipzig anfing, ging ich auch immer noch Sonntag in die JG und dort lernte ich auch Christa kennen und gab ihr meine Adresse mit.
Für heute möchte ich nun schließen.
Es grüßt Dich recht herzlich
Angelika.

 

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