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Brief (Transkript)

Angelika S. aus Freiberg an Gerlinde T. nach Dentlein am 15.01.1985

 

Freiberg, am 15.1.85

Liebe Gerlinde!

Heute Abend sollst Du nun endlich einen Brief bekommen. Eigentlich wollte ich Dir schon viel früher schreiben, aber wie das so ist, kam immer wieder etwas dazwischen.
Ganz zuerst möchte ich mich recht herzlich für Deinen lieben Brief, Karte und besonders natürlich für das schöne Weihnachtspaket bedanken. Wir haben es am Heiligen Abend ausgepackt und uns sehr darüber gefreut. Den Kalender habe ich gleich aufgestellt. Er ist ja sehr schön. Es ist alles wohlbehalten angekommen.
Zur Zeit bin ich mit Martin wieder einmal allein zu Hause. Dieter mußte mit den Freiberger Studenten in die Braunkohle. Es wurde Katastrophenalarm ausgerufen und da mußte er als Betreuer mit. Morgen soll er aber abgelöst werden. So saß ich mit Martin zu seinem Geburtstag allein hier (11.1.) und auch meine Eltern, die am Wochenende kommen wollten, sagten kurzfristig noch ab.
Martin hatte in der letzten Zeit tüchtig mit Husten und Schnupfen zu tun. Da hat er gleich wieder abgenommen. Aber sonst ist er putzmunter. Allein läuft er nun doch noch nicht, wie ich es eigentlich gedacht hatte, aber an einer Hand geht es schon recht schön. Da macht er schon ganz schön die Wohnung unsicher. Am liebsten macht er die Schranktüren auf und zu und da wir keine Schlüssel sondern Knöpfe dranhaben, kann man nicht viel dagegen machen.
Das was mich seit letzter Woche davon abgehalten hat zu schreiben, ist die Sache, daß Martin ab Februar in die Kinderkrippe muß. Da habe ich einige Zeit gebraucht, um mich an den Gedanken zu gewöhnen. Aber richtig daran gewöhnen werde ich mich wohl nicht. Mir blieb gar keine Wahl, denn sonst hätte der Betrieb sofort meinen Arbeitsvertrag aufgehoben (er gilt noch bis Februar 86). Dann (86) müßte ich eine andere Stelle vom Betrieb besorgt bekommen und diese Chance möchte ich auch gerne nutzen. Ich hatte so sehr gehofft, daß noch kein Platz frei ist. Das Schlimme daran ist, daß wir einen Platz im Neubaugebiet bekommen haben und in der Altstadt wohnen, d.h. ½ Stunde Anmarschweg zur Krippe und ½ Stunde von dort zur Arbeit. Ich habe von 7 – 16.30 Uhr zu arbeiten, da kannst Du Dir vorstellen, wieviel Zeit dann noch für Martin übrigbleibt. Man kann ihn abends nur noch ins Bett bringen! Ich wollte meinen Arbeitsvertrag auch nicht lösen, um bei einem 2. Kind das Babyjahr bezahlt zu bekommen. Jetzt habe ich ja nichts bekommen, aber ich habe es nicht bereut, daß ich zu Hause blieb. Ja – nun gibt es so viele Sachen, die mir im Kopf umher schwirren, ob es Martin in der Krippe gefallen wird usw. Ich habe richtige Angst davor. Dabei habe ich so einen schönen Spruch für dieses Jahr gezogen: „Sei nur stille zu Gott, meine Seele; denn Er ist meine Hoffnung“. Wenn ich nur stille sein könnte!
Meine Mutti ist seit Anfang Oktober wieder zu Hause. Aber so richtig gut geht es ihr nicht. Besonders wenn das Wetter sich ändert, hat sie tüchtige Schwierigkeiten.
Die Sache mit Deiner Schwiegermutter tut mir sehr leid. Ich habe letztens mal eine Sendung über diese Krankheit gesehen. Hoffentlich ist es bei ihr nicht so schlimm und verschlechtert sich nicht. Da braucht man sicher sehr viel Mut und Vertrauen.
Ich hoffe, daß es Dir und deinen Lieben gut geht und daß Du bald wieder schreibst!

Viele liebe Grüße von
Deiner Angelika, Hans-Dieter u. Martin

 

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