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Brief (Transkript)

Hellmut Richter an seine Ehefrau am 11.7.1944 (3.2002.7568)

 

Westen, den 11.7.44



Mein bestes Frauchen!

Nach 3 Tagen wo ich Dir geschrieben habe sind wir noch immer in der selben Ortschaft. Morgen werden wir aber nun abrücken, wenn genug Fahrzeuge da sind. Es hat in den Tagen immer geregnet und auch heute ist es schon wieder seit mittag trübe und fängt an. Sonst ist dieses Wetter günstig da kaum Flieger in den Tagen kamen. Arbeit habe ich viel mit der Sammelstelle und auch bei der Komp. Gestern wurden wir auch wieder geimpft gegen Ruhr diesmal. 2 Mal wird die Impfung noch wiederholt. Verstauchungen der Beine und Verletzungen an den Beinen habe ich bei einigen zu behandeln. Vorgestern hat mal ein Betrunkener von unseren Leuten rumgetobt. Ich glaube von Ungarn hatte ich Dir schon mal davon geschrieben, wie Orlowski bei Dunaalmas mit der Pistole rumgelaufen ist und sich erschießen wollte. Diesmal ist es nun tatsächlich passiert. Er hat dem Chef widersprochen wo er betrunken war und sollte dafür eingesperrt werden. Feldw. Schuppe hat ihn vorher noch mal an sein Fahrzeug geführt wo er seine Decken und sein Essen holen wollte. Wie er da einen Augenblick allein gestanden hat, hat er sich ein Gewehr genommen und sich erschossen. Ich wurde gerufen und konnte nur Tod durch Herzschuß feststellen. Nüchtern war er ein tüchtiger Kerl aber angetrunken war er schlimm. Die Angehörigen tun einem nur leid. Er hat Kinder von 19 Jahren und ein Mädel v. 11 Jahren. Schön ist es für unsere ganze Kp. nicht wenn es sich rumspricht, daß einer Selbstmord begangen hat. Einige Franzosen habe ich auch schon behandelt. Hier kommen viel Flüchtlinge von der Front durch und so mancher hat Verletzungen durch Granaten oder Bomben abbekommen. Beliebt sind wir hier sehr und sie fragen immer warum wir nicht hierbleiben können. Von der SS wollen sie aber nichts wissen und haben hier schlechte Erfahrungen mit gemacht. Es sind eben diese jungen Bengels die in den Gärten räubern. Auf der Straße kommen sie wie die Wilden angefahren und Hühner und Enten werden totgefahren. Eine Kuh wurde auf der Weide geschlachtet und nur die besten Teile rausgeschnitten. Bei uns beklagen sich dann die Leute auf der Schreibstube und sagen dann noch höflich: es können durchziehende Zivilpersonen auch den Schaden angerichtet haben. Wir haben aber viel gesehen und wenn geschossen wird, dann muß es schon Militär gewesen sein. Manchmal ist hier nachts schon eine tolle Schießerei von Betrunkenen gewesen. Von uns ist es keiner. Leben tun wir noch weiter gut. Gestern gab es Kalbsnierenbraten. Vorgestern Kalbsleber. Die alte Frau macht uns gern den Braten fertig und bekommt auch immer ein Teil ab. Die Leute haben nicht viel Geld hier und können sich das teure Fleisch nicht in den Mengen wie wir kaufen. Heute gab es wieder Wehrsold 536,- Frcs. für 10 Tage. Meinen Geburtstag muß ich nun auch wieder ohne Euch verbringen. Es ist das fünfte Mal, das ich an diesem Tage nicht mit Euch zusammen sein kann. 1940 war ich Rekrut, 1941 in Bückeburg, 1942 Laz.-Zug, 1943 in Gefangenschaft, 1944 das soll der letzte ohne Euch sein. Ich kann mich noch gut an den Tag erinnern in jedem Jahr. An Urlaub fahren ist jetzt garnicht zu denken und auch garnicht ohne Gefahr zurückzukommen. Hier vorn sind wir sicherer wie die im Hinterland. Ich sehe es ja hier in meiner Sammelstelle 4 Woche suchen manche ihre Truppe schon. Unterwegs sind die Züge bombardiert worden. Dann geht es nur noch mit dem L.K.W. weiter die man zum Mitfahren anhalten muß. Eisenbahn gibt es bei uns nicht. Manche Landser kommen schon mit Pferd und Wagen hier vorbei, um nicht laufen zu müssen. Es war schon damals in Tunis so. Wenn ich auf Urlaub gefahren wäre hätte ich Euch vielleicht nicht wieder gesehen. Damit will ich aber nicht sagen, daß ich von hier aus über die Engländer zu Dir wiederkommen will. Hier ist ja kein Wasser da was uns den Rückzug abschneidet. Nur ist auf dem Wege zum Hinterland meist viel mehr los wie hier in Frontnähe.
Ich habe wieder von Dir geträumt und bin einen Tag zu spät dabei vom Urlaub wieder weggefahren. Und zwar mußte ich am 29. fahren und am 30. (Ich sehe noch den Kalender) merke ich plötzlich dass ich noch bei Dir bin. Der Traum hat mich richtig aufgeregt wie ich heute früh aufwachte. – Wir schlafen ja auch nachts zu unruhig. Die Art. auf beiden Seiten schießt, und garnicht weit von uns, oft so laut, und dann pausenlos von 1100 früh. Eine unheimliche Materialschlacht muß sich da abspielen. Menschen opfert der Feind scheinbar nicht so viel, er will mit seinen Waffen die er in Mengen auf uns los läßt vorwärts kommen. Darum ist es mal so ruhig hier und wenn er genug zusammen hat, geht es wieder weiter.
Ich küße und drücke Dich recht herzlich

Dein Hellmut

 

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