Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Hellmut Richter an seine Ehefrau am 6.7.1944 (3.2002.7568)

 

Westen, den 6. Juli 44



Liebes bestes Frauchen!

Vom 23.6. bekam ich gestern ein Schreiben vom Reichsverband, wie kommt es nur daß ich erst Post von Dir vom 6.6. habe?
Ich habe in den letzen beiden Tagen allerlei erlebt. Vorgestern war ich mit unserem Zahnkranken das Gebiß abholen. Wir mußten weit vorfahren. und waren dicht bei Caen, dann mußte ich noch 10 klm nach Westen fahren. Gefunden haben wir den H.V. Platz aber es war nicht der Richtige. Gegen Mittag waren wir wieder zurück. Der Tag war sehr ruhig und nur 2 Mal mußten wir vor Fliegern in Deckung fahren. Sonst ist es da vorn überall dasselbe Bild nur das die Granaten auch noch in den Ortschaften alles mit zerstört haben. Sehr viel zerschossene Fahrzeuge stehen rum. Ein Kaninchen habe ich eingefangen und unseren alten Leuten mitgebracht. Dann Zwiebeln, Mohrrüben, Kohl und Petersilie. Kirschen haben wir uns auch gepflückt. Es ist richtig ein bischen unheimlich wenn man in so einer verlassenen Ortschaft rumläuft. Alle Häuser stehen offen, zum Teil läuft das Getier wie Hühner, Enten und Kaninchen in den Gärten rum. Das Jungvieh steht allein auf der Weide. Die sauberen Gärten sind zum abernten von Schoten und Salat so weit. Alles verkommt auf den Feldern. Weizen, Gerste, Kartoffeln stehen hier gut. Die Rüben sind noch nicht verzogen. Das Heu ist noch nicht gemäht und wird schon gelb. – Jedenfalls kamen wir voll Gemüse mit unserem P.K.W. heim.
Gestern Abend haben wir die Ortschaft überraschend verlassen und waren die Nacht einige Kilometer ab in den Bergen. Man wollte einen Funkspruch aufgefangen haben, wonach unser Ort in der Nacht bombardiert werden sollte. Innerhalb einer halben Stunde sind wir da gestern getürmt und auch die Zivilbevölkerung zog aus. Wir haben dann im Freien geschlafen und sind heute morgen um 500 Uhr wieder hier gewesen. Es war ein richtiger Schildbürgerstreich und ich hatte mir gleich gedacht, daß alles Blödsinn ist. Die ganze Ortschaft hatte man verrückt gemacht und den Leuten sind zum Teil während ihrer Abwesenheit die Wohnungen aufgebrochen, vieles gestohlen worden oder sonst alles umgewühlt. Es muß die SS so gehaust haben wo wir und die Leute weg waren. Man muß sich richtig schämen über so ein Benehmen der eigenen Soldaten. Ich kann Dir überhaupt nicht beschreiben wie es in einigen Wohnungen und Schlafzimmern aussah. Wir schreiben oft von anderen Völkern schlecht bei uns gibt es genau diese Schweine. Die Alten hier konnten nicht mit weg, da der Mann in den Beinen gelähmt ist. Sie sind 70 Jahre und weinten wie wir wegzogen. Heute waren sie froh wie wir wiederkamen. Die Hühner haben wir heute früh überall rausgelassen und ich habe die Kälber beim Nachbar gefüttert. Alles Vieh machte Krach und hatte Hunger wo wir zurückkamen. Nach und nach kamen die Bewohner und alles geht wieder seinen alten Gang. Wir sind ja überall zu Hause, aber froh sind wir doch, daß wir wieder hierher gezogen sind, wo man die Leute kennt.
Vormittags habe ich auf der Wiese in der Sonne, wir haben jetzt Sommerwetter, den Schlaf nachgeholt und nachm. habe ich mich gründlich gewaschen. Hoffentlich zeihen wir heute nacht nicht wieder aus. Es fehlten Fahrer und da mußte ich einen L.K.W. mit Geräten und Munition selbst fahren. Die Wege waren teils sehr schmal, steil und auch schlecht und alles im Dunkeln. Geschlafen habe ich in dieser Nacht sehr wenig. Eine große Hammelkeule erwartet uns zum Abendessen, die Oma bratet sie seit 300 nachmittags. Den Kirschenbaum im Garten haben wir vorhin auch ausgepflückt. Wir haben es bestimmt gut hier. Nur reichlich Flieger sind heute wieder da.
Viele herzliche Küsse
Dein Hellmut

 

top