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Brief (Transkript)

Hellmut Richter an seine Ehefrau am 22.6.1944 (3.2002.7568)

 

d. 22. Juni 44


Nr. 15

Mein liebes bestes Frauchen!

Jetzt sitze ich wieder am richtigen Tisch auf einem Stuhl und habe auch die Nacht einen kleinen Raum wo ich mir auf Stroh mein Lager gemacht habe.
Wir sind vorgestern abend weiter gezogen. Aber nur einige Kilometer in eine kleine Ortschaft die am Berge liegt und schön von Wald umgeben ist. Wir sind nun von den Munitionsstapeln weg und es ist hier nicht so viel Fahrbetrieb. Die Flieger waren zu stark in der Gegend. Seit vorgestern ist es vollkommen still in der Luft und wir leben so ruhig und friedlich und sind doch so dicht hinter der Front. Die Orne fließt in unserer Nähe vorbei. Nimm Dir mal die Karte vor und ließ oder höre den Wehrmachtbericht, oben in der Normandie sind wir, dann weißt Du ungefähr wo ich bin. Es ist sehr weit bis zu Dir und nicht mehr weit bis zu Meer. In diesen trüben Tagen ist von uns sehr viel Material und Panzer nach vorn gekommen und es ist einem ein Rätsel dass der Gegner da nicht gekommen ist, denn nach Deutschland fliegen sie doch auch bei jedem Wetter. Jetzt wird es ihnen schon gar nicht mehr gelingen hier vorwärts zu kommen. Wir denken ja auch das die Flieger wegen der Bombardierung in England durch unsere neuen Mittel nicht mehr kommen. Gefangene Engländer aus den letzten Tagen sind meist Überläufer und wissen von unseren Angriffen auf ihr Land. Die Stimmung da drüben an der Front muß nicht gut sein und auf die Amerikaner sind sie auch nicht gut zu sprechen. Die Abwehr der Invasion steht also in der Gegend wo wir sind, und wir sind ja an der Hauptstelle, gut, so weit es der kleine Mann beurteilen kann. Die zahlenmäßige Überlegenheit hat nichts genützt. Nun wieder etwas von mir. – Du wirst es kaum glauben – Im Fleischerladen hier hängen die halben Schweine und Rinder und jeder kann ohne Marken kaufen. Gestern habe ich mir mit einem Kameraden 1 [Pfd.] Leber gebraten. Heute habe ich mir eine Schweinezunge mit Gemüse backen lassen. Dazu habe ich mich gleich mit unserer Quartierwirtin angefreundet. Es sind zwei alte Leute auf dieser ehemaligen Landwirtschaft. Dem alten Herrn der nur noch langsam an Stöcken laufen kann haben wir Tabak und Zigaretten geschenkt. Madame Schokolade. Zuerst waren sie ja sehr ängstlich aber bald haben wir uns verstanden. Sie essen mit von unserer Feldküche und wenn sie uns mit was braten, bekommen sie auch ihren Teil ab. Zu 8 Mann sind wir hier, da fällt so manches ab. Für morgen haben wir noch einen großen Schweinebraten. Wir bekommen frische Milch, Eier, Käse und vor allen Dingen Butter kiloweise. Nur wenn die Küche was gutes hat wird es geholt. Das ich so etwas im 5. Kriegsjahr erlebe, hätte ich nicht gedacht, zumal es erst in Fr. knapp war. Hier war aber auch noch nie Krieg und eine reiche Landwirtschaft mit viel Vieh. Militär war hier auch nie und dann wandern jetzt die Leute durch den Krieg hier weg. Viele Orte sind verlassen, darum wird so viel zu essen hier sein. Die Bahnverbindungen sind unterbrochen und es kann nicht viel nach anderen Gegenden verbracht werden wo es fehlt. Du brauchst Dich nicht um mich sorgen. Ihr seid vielleicht in größerer Gefahr wie ich und lebt viel genügsamer. Das Geld ist sehr knapp bei mir. Du hast mir auch noch nichts geschickt, wie ich Dir schrieb. 3 Pakete Schoka-Kola habe ich für Euch zurückgelegt, wir bekommen jede Woche so viel mit der Verpflegung. 50 Zigarren habe ich eingetauscht gegen Zigaretten. Ich habe also auch was zu rauchen. Nur bin ich nicht ganz zufrieden da ich nicht auf Urlaub kommen kann und schon fast 4 Wochen keine Post von Dir habe. Heute morgen wo sich das Wetter aufklärte, habe ich meine ganze schmutzige Wäsche gewaschen. Es geht ein schöner Wind und bald ist alles trocken. Zum Waschen bin ich an den Dorfteich gegangen wo schon einige Frauen waren und habe mich daneben gekniet und es genau so gemacht wie diese. Vom Wasser gehen große breite Steine schräg hoch, man kniet sich in einen Holzkasten der dick mit Stroh ausgelegt ist und beugt sich nach vorn. Dann schlagen sie hier mit einem flachen Holz auf die Wäsche. Das habe ich aber nicht gemacht. Ich habe nur tüchtig mit einer kleinen Handbürste geschrubbt. Froh war ich wo ich wieder aufstehen konnte, so taten mir die Knie und die Brust weh vom anlehnen. Wie die Frauen da nur ihre ganze Wäsche waschen das ist mir ein Rätsel?
Zum Laz. fahre ich auch noch täglich mit Verwundeten. Augenblicklich liegen wir ja nun von der Sammelstelle getrennt, aber in einigen Tagen siedeln die auch mit nach hier um. Unsere Kommandos besuche ich alle paar Tage. Gestern habe ich Verpflegung und Geld mit hin genommen. Alle leben sie gut, nur müssen sie schwer Tag und Nacht arbeiten. Wir versorgen unsere Div. und auch versprengte mit Muni und Sprit. Ich habe da zugesehen wie die Panzer tanken und habe staunt was die für Benzin brauchen. Für einige Male so viel wie ich im ganzen Jahr verfahren habe. Als Sani habe ich auch zu tun aber nur einige Stunden am Tage, sonst kann ich mir meine Zeit selbst einteilen und machen was ich will. Zum Mittagsschläfchen komme ich auch wieder. Ein paar Schuhe habe ich ganz kaputt und habe seit gestern das zweite Paar neue an. Ich trage auch viel meine Drillichuniform um die gute für den Urlaub zu schonen. Ich denke viel an Dich und meine Kinder! Grüß Traude und die Kinder und Deine Eltern. Da will ich auch mal wieder hinschreiben.
Viele herzliche Küsse

Dein Hellmut

 

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