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Brief (Transkript)

Hellmut Richter an seine Ehefrau am 23.7.1944 (3.2002.7568)

 

Westen, den 23. Juli 1944



Mein allerbestes Frauchen!

Wieder ein Sonntag ohne Dich! Ich habe heute einen ruhigen Tag und war nur am Vormittag eine Stunde mit dem Auto unterwegs und habe Butter geholt. – Früh habe ich auch schon einen kleinen Brief an Dich geschrieben, den Du nun schon lange vor diesem hast. In Deinem Brief vom 13.7. schriebst Du wie es zugeht, daß meine gestempelten Briefe in der Heimat abgegeben worden sind. Es ist ganz einfach so möglich. Urlauber und unsere Kommandos nehmen die Post mit die wir hier gleich stempeln und nicht über die Feldpost gehen lassen. Du hast ja schon bemerkt, daß ich den Brief einige Tage früher geschrieben hatte ehe er bei der Feldpost weiter gegangen ist und darum geben wir die Post mit unserem Leuten mit. Zuerst möchte ich Dir das „Wichtigste“ noch genauer mitteilen. In einem Tagesbefehl kam gerade an meinem Geburtstag die Mitteilung, daß San.-Dienstgrade aus engl.-am. Gefangenschaft nicht mehr beim Feldheer eingesetzt werden dürfen, da sie bei nochmaliger Gefangennahme wie Spione behandelt werden. Ich muß also hier weg und denke mir das so, daß ich in einigen Tagen zum Ersatz-Truppen-Teil zurückgeschickt werde. Die erste Nacht hat mich diese Mitteilung, die für mich so überraschend kam, kaum zur Ruhe kommen lassen. Du wirst auch sehr erfreut sein mich nicht hier ganz vorn zu wissen. Ich habe mir so viele Gedanken gemacht wo ich nun wieder hingeschickt werde und dann die Freude bald auf Urlaub zu kommen, damit kann ich von Deutschland aus nach über 7 Monaten bestimmt rechnen. Die Verfügung ist schon vom 29.12.43 und man kann mal wieder sehen wie langsam so etwas rumkommt bis zu den einzelnen Divisionen. Eine weitere Sorge macht mir jetzt noch der Abtransport meiner ganzen Sachen und der Butter nebst allen Dingen die ich noch für Euch gesammelt habe. Vielleicht bringt mich die Kp. mit einem Wagen bis an eine Stelle wo ich mit der Bahn weiterkomme. Ich überlege mir heute schon alles trotzdem es vielleicht noch einige Zeit dauern kann. Viele Bekleidung und Decken kann ich ja hier abgeben, da wir für unsere Leute manches brauchen. Ich habe auch noch meine Privat-Wäsche und die Kiste die der Dittmann mal mitgebracht hat im rückwärtigen Gebiet gelassen. Hier habe ich noch einen großen neuen Koffer, den kleinen Schwarzen einen Tornister und 2 Wäschebeutel. Von dem Mehl möchte ich auch noch einige Kilo mitbringen. – Ja, ich habe so meine Sorgen alles wegzubringen und alles so günstig wie möglich vorzubereiten wenn es plötzlich losgeht.
Unser 2ter San.-Uffz. mein Kamerad Hickmann ist seit gestern auch wieder bei uns eingetroffen, er kam mit Uffz. Busse den ich mit seinen Waffen- u. Gerät so lange vertreten hatte von einem Kommando zurück. Für mich ist also ein Ersatzmann schon da. Ich gehe auch andererseits ungern von meiner jetzigen Kompanie weg, wo ich es ganz gut hatte und auch beliebt bei allen bin. Ein freies Leben habe ich hier geführt und konnte auch besser mir meinen Tag einteilen. Zu leben haben wir hier auch besser wie in der Heimat und wenn ich nicht auf Euch Rücksichten zu nehmen hätte und Euch hätte, bliebe ich freiwillig hier. Du wirst mich schon richtig verstehen, mein Frauchen. Ich rechne hier ja auch mal mit einer Einschließung des Gebietes durch den Gegner und da kann ich schnell in die Gefangenschaft kommen. Wir liegen in der Nähe eines Zipfels zum Meer der rechts und links vom Amerikaner bestürmt wird. Du wirst ja auch unsere Wehrmachtberichte hören. Es ist nur gut, daß nach hinten Land ist und wir da zurück können. Die Front direkt vor uns liegt noch 20 klm ab und die feindl. Artillerie reicht in diesem Gebiet nicht an uns heran. Unsere Aufgabe ist die Versorgung der kämpfenden Truppe mit den Kampfmitteln und durch die Flieger sind unsere Fahrzeuge mit ihrer gefährlichen Ladung viel in Gefahr. Ich schrieb Dir ja schon, daß die Fliegertätigkeit hier in letzter Zeit sehr zurückgegangen ist. Ausfälle haben wir nicht mehr gehabt und auch haben sich die Fahrer und alle Soldaten hier den Verhältnissen bald angepasst.
Das Wetter in diesem Küstenstrich ist auch günstig für uns, fast immer ist bedeckter Himmel und ein Sprühregen. Abends fällt ein Nebel von den Höhen ins Tal da müssten die Flieger schon ganz tief kommen. Das wagen sie aber wegen der Flak nicht. Die Leute sagen hier, daß es im Monat mindestens 10 Tage! regnet. Ich muß schon heute sagen, daß es stimmt, wir hatten bis jetzt erst einen Tag mit einigen Stunden Sonne. Vom Hochsommer merkt man hier nichts. Ich habe noch jeden Tag meinen Pullover angezogen. Dafür gibt es keinen Winter hier und man kann hier die Stechpalmen ganz herrlich blühen sehen. Der Golfstrom bringt vom Atlantik in unserer Nähe dieses feuchte Wetter mit, so ähnlich muß es drüben in England sein. An meinem Geburtstag und gestern war ich viel mit dem Auto weg da ich die Gegend gut kenne und keine Fahrer da sind. Der Chef gratulierte mir und hat mir 3 prima Zigarren geschenkt. Abends hab ich meinen Stuben-Schlaf-Kameraden meine ganzen Schnaps- u. Cognakreserven geopfert. Zimmermann war ganz blau und konnte gestern nicht arbeiten. Ich selbst habe garnichts getrunken davon. Mit meinem Magen vertrage ich diese Sorten Alkohol nicht. Ich hatte mir unterwegs Kartoffeln ausgegraben. Da habe ich mir mittags Kartoffeln gekocht, es gab Rindsrouladen und ich brauchte kein Brot dazu essen. Abend habe ich mir dann nochmal Kartoffeln gekocht und gleich gut gebraten dazu noch 5 Spiegeleier. Nachmittags zum Kaffee habe ich einige Liter Sahne geschlagen. Auch diese wurde restlos vertilgt. Es war mir davon richtig etwas schlecht geworden. Uns fehlt hier mal eine saure Gurke oder Bier. Durch das viele fette Essen schmecken nur noch ausgefallene Sachen. Wenn ich auch am Geburtstag oft stundenlang weg war, so war es doch für mich ein ereignisreicher Tag durch die Mitteilung daß ich hier wegkomme und dann kam noch Dein Brief v. 13.7. zur richtigen Zeit bei mir an.
Ein Schreiber ist heute nach Paris gefahren, er soll nur noch für Dich 2 Paar Strümpfe mitbringen. Geld habe ich sehr reichlich und kann vielleicht selbst auf der Rückfahrt was für Dich kaufen.
Ich teile Dir laufend mit wie es mit meiner Versetzung steht, hoffentlich erreicht Dich meine Post bald. Du mußt mal wieder damit rechnen, daß ich eines Tages ganz überraschend vor Dir stehe! Vielleicht ist schon bald so weit.

Viele herzliche Grüße

Dein Hellmut

 

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